Arabische Nächte
nichts preisgeben - wie nach einem Fieberanfall. So viele Fragen harrten einer Antwort; doch sie konnte mit dem nackten Mann, der sich so schamlos vor ihr räkelte, nicht einmal sprechen.
Während sie in die Schuhe schlüpfte, blickte sie nervös um sich. Wie lange war sie schon hier? Der verdunkelte Raum lieferte keinen Hinweis auf die Stunde. Einzige Spuren der letzten Minuten - oder Stunden - waren ihre geschwollenen Lippen und ein sonderbarer Schmerz tief unten. Dann fiel es ihr ein. Er hatte gesagt, er hätte sie betäubt!
Als sie aufstand, vermied sie es geflissentlich, den Hind Div anzusehen. Zum Glück rührte er sich nicht und sagte auch kein Wort. Doch die unausgesprochenen Fragen führten in ihrem Inneren einen Veitstanz auf. Was hatte er ihr sonst noch angetan? Hatte er sie missbraucht? Gewiss nicht! Es gehörte zu seinen Tricks, zu quälen und zu necken. Vielleicht hatte er sie ausgezogen und sich an ihrer Hilflosigkeit geweidet, als sie nackt vor ihm lag. Aber gewiss hatte er nicht...!
Wut stieg in ihr auf. Mittlerweile in sein abe gehüllt, saß er völlig ausdruckslos am Bettrand. Zweifellos wartete er, dass sie ihn beschimpfte, weil er sie betäubt hatte. Der süße Geschmack von Würzwein hing ihr noch im Rachen und drohte, sie zu ersticken.
Bebend holte sie Luft. Nun gut, er hatte sich auf ihre Kosten amüsiert. Doch wusste er jetzt, wer sie war. Sehr wahrscheinlich hatte er Lord Abbotts Brief gelesen, während sie schlief. Wenn er sie missbraucht hatte, hätte er ihr nicht zu gehen befohlen: Er musste wissen, dass sie zum Viscount zurückkehren würde, der ihn festnehmen lassen konnte. Sicher war es nur ihre Verlegenheit, die sie auf der Schneide des Zweifels balancieren ließ.
Sie bedeckte den Kopf mit dem Tuch, während sie fieberhaft überlegte. Alle Instinkte drängten sie zur Flucht. Wie aber sollte sie Lord Abbott erklären, dass ihre Mission gescheitert war?
Mit Schüchternheit erreichte man beim Hind Div nichts. Hier war Kühnheit vonnöten. »... wann du mich in Erstaunen versetzen wirst!«, hatte er sie herausgefordert.
Als sie sich einen Ruck gab, ihm ganz in die Augen zu schauen, kam ihr eine Idee. »Mit Euren Worten gesteht Ihr ein, dass Ihr in meiner Schuld steht.«
Sie sah, dass seine Wimpern flatterten. Er nickte und erhob sich vom Bett. »Nennt Euren Preis. Afghanische Rubine! Burmesische Saphire? Vielleicht dies hier?«
Mit einer blitzschnellen Bewegung präsentierte er ihr auf der Hand einen, eines Sultans würdigen, Türkisring. »Er gehört Euch!«
Sie schüttelte den Kopf. Kein Edelstein der Welt würde je ihren Zorn darüber besänftigen, wie er sie in dieser Nacht behandelt hatte. Es gab jedoch etwas anderes. »Ihr sagtet, ich sollte meinen Preis nennen. Ich möchte sicheres Geleit für drei Personen - sofort - von Bagdad nach Bushire.«
Momentan stand Verblüffung in seinem goldenen Blick. Endlich hatte sie ihn überrascht! Dann wich das Erstaunen einem Lächeln, das den Weg bis zu seinen Augen fand. »Ich habe Euch falsch eingeschätzt. Das freut mich.«
»Heißt das, dass Ihr einverstanden seid?«
Er gab keine Antwort und nahm sie beim Arm, um sie an den Ausgang des Pavillons zu führen und einen Vorhang zu heben. »Geht nach Hause, uzza! Mein Diener wird sich um Euch kümmern. Schlaft vorerst ruhig.«
Japonica starrte ihn an, unfähig, seinen Worten oder seiner Miene zu entnehmen, was er wirklich meinte. Dann fiel ihr
Blick auf den abweisenden Zug um seine Lippen. Er war - widerstrebend - einverstanden.
Ohne zu überlegen, stellte sie sich auf die Zehenspitzen und beugte sich zu ihm. »Danke, burra sahib!« Zu ihrer eigenen Verwunderung küsste sie ihn voll auf die Lippen.
Als sie fort war, lächelte er vor sich hin. Sie war aus härterem Holz geschnitzt, als er geglaubt hatte. Die letzten Minuten waren für sie nicht einfach gewesen. Ihr Schneid hatte ihm etwas abgenötigt, das er selten empfand - seinen Respekt. Die Nacht hatte also weder ihren Geist noch ihre Ehre vernichtet. Es würden sich keine Folgen einstellen, die über seine Erinnerung und die seiner verhinderten Braut hinausgingen.
Nur um sicher zu sein, dass sein Verstand ihn nicht genarrt hatte, las er den Brief noch einmal. Dann begab er sich an seinen Schreibtisch und brachte eine Anweisung zu Papier. Nach Beendigung war das Lachen, das sich ihm entrang, noch jenseits der hohen Mauern seines Hauses zu vernehmen.
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3
Japonicas Slipper verursachten leise gleitende
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