Arabische Nächte
in Verlegenheit gebracht, ihrem Blick auswich. Allmächtiger! Was hatte er alles gehört? »Sie befürchten, er will mir Böses?«
»Nein, er nicht.« Er drückte ihre Hand, ehe er sie losließ. »Der Viscount grämt sich, Sie in Lebensgefahr gebracht zu haben, indem er Sie drängte, den Hind Div aufzusuchen. In diesem Land wird Rache oft an Freunden und an der Familie des Gegners geübt. Der Hind Div war ein Mann mit vielen Feinden.«
»Sie sagen war?«
Sein Blick drückte Sorge aus. »Der Hind Div ist tot, meine Liebe!«
Jäh wandte Japonica sich ab. Trotz Wut und Kränkung über ihre Erniedrigung durch ihn hatte sie dem Hind Div nichts Böses gewünscht. Ein Dutzend Dinge schössen ihr durch den Kopf - Fragen, auf die es niemals Antworten geben würde. Am Ende dieser kurzen Bilanz fiel ihr nur eines ein: »Wann?«
»Kurz nachdem Sie Bagdad verließen. Es heißt, dass ihn ein Meuchelmörder tötete, nachdem afghanische Aufständische ein Kopfgeld auf ihn aussetzten.«
»Sind Sie sicher?« Zweifel stützten ihre Ungläubigkeit. »Der Hind Div ist für seine Finten und Tricks bekannt. Vielleicht handelt es sich nur um eines seiner Täuschungsmanöver.«
Betrübnis huschte über seine Züge. »Wir haben unsere verlässlichen Quellen. Ich hätte das Thema nicht angeschnitten. Die Sache mag mit seinem Tod auf sich beruhen ...«
»Ich verstehe.« Der Hind Div war ein gewalttätiger Mensch, der ein entsprechendes Leben führte. Welches Ende war für ihn zu erwarten? Sie hätte nicht so entsetzt sein sollen, und schon gar nicht das Gefühl haben, ihr eigenes Leben entgleite ihr. »Verzeihen Sie, aber ich muss mich wieder setzen«, sagte sie hölzern und stakste auf unsicheren Beinen zu ihrem Sessel.
»Liebes Kind, ich habe Sie bekümmert.« Fürsorglich schenkte er ihr eine Tasse Tee ein. »Seien Sie versichert, dass Sie für die Dauer Ihres Aufenthalts in Bushire in Sicherheit sind. Wenn Sie aber einwilligen, den Viscount zu heiraten, wird man Sie nach England schicken.« Er deutete auf das Dokument, das sie noch immer in ihrer Hand hielt. »Lesen Sie es sorgfältig durch, ehe Sie eine Entscheidung treffen. Wenn Sie wollen, können Sie sofort nach Hause reisen.«
»Ich war nie in England«, äußerte sie gedankenverloren. Tot! Ein Mensch dieser Vitalität einfach von der Erde verschwunden? Es erschien ihr unmöglich.
»Dann werden Sie alles sicher sehr interessant finden.«
»Mag sein.« Sie zwang sich, nicht an den Pavillon des Hauses am Rande des alten Suq von Bagdad zu denken. »Was wird der Erbe Lord Shrewsburys in der Sache zu sagen haben?«
Der Regierungsbeauftragte lächelte. »Vermutlich ist ihm nicht bewusst, was auf ihn zukommt. Er dient in der Indischen Armee.«
»Ich verstehe.« Also auch seine Zukunft war unsicher. Er konnte den Tod finden, ehe er den Titel eines Earl offiziell in Anspruch nahm. Tot! War es überhaupt denkbar, dass diese goldenen Augen nicht mehr kühn in die Welt blickten?
»... handeln Sie aus Erbarmen, Japonica Fortnom.« Er drückte ihre Schultern. » Überlegen Sie sich den Vorschlag gut.«
Sie sah ihn mit offenem Zweifel an, als ihr ein neuer Gedanke kam. Immerhin war sie beschädigte Ware, wie Aggie es formulieren würde. Ob der Viscount sie noch ehelichen wollte, wenn er es wüsste? Ihn in Unwissenheit zu lassen, bedeutete Betrug an einem vornehmen Menschen, auch wenn er im Sterben lag. Sollte sie in eine Verbindung einwilligen, würde sie ihm zuerst von ihrem Besuch beim Hind Div berichten. Nein, sie wollte nichts sagen und nichts tun. Die Wahrheit würde nichts Gutes bringen ...
Plötzlich kam es ihr im Raum viel zu heiß vor. Das Verlangen, in Tränen auszubrechen, war so stark, dass sie sich abrupt erhob. »Ich glaube, ich muss ablehnen. Denn ...«
Ihr Blick wanderte zu den süßen Miniaturen auf dem Schreibtisch. Wie ungerecht das Leben mit weiblichen Wesen umsprang - sogar mit jenen, die in höheren Sphären geboren wurden. Eine überstürzte Heirat ihres Vaters war das einzige Mittel, sie vor Armut zu bewahren. Konnte sie hilflose Kinder im Stich lassen? Nein - eigentlich nicht.
Sie drehte sich zu dem Mann um, der ein Freund ihres Vaters gewesen war und nun ihr mit seinem Rat beistand. »Dann sei es so. Sie können dem Viscount sagen, dass ich seinen Antrag annehme.« War je eine Heirat so kühl arrangiert worden?
»Sie müssen erst die Einzelheiten durchlesen«, ermahnte der alte Freund sie.
Die junge Frau winkte ab. »Was zählen die schon gegen das
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