Arabische Nächte
erleichtert. Irgendwie schien es passend, dass sein Leben unter den Händen einer Frau ein Ende fand.
So jung, so unschuldig, hatte er gedacht, als sie ihn ansprach. Tödlich für einen Mann, wenn er nur eine Spur Güte in sich hatte. Aber er war kein guter Mensch und hatte deshalb für seinen Gast eine Überraschung parat; denn mittlerweile hatte er entdeckt, dass es schwer ist, das Leben, selbst wenn man es freiwillig opferte, aufzugeben. Er würde sterben - aber vorher wollte er sich noch mit ihr ein letztes Mal vergnügen.
Viele, die seine Gunst suchten, schickten dem Hind Div ihre Geliebten oder Haremssklavinnen, weil sie glaubten, weibliches Bitten würde eher sein Mitgefühl wecken. Seit jedoch eine houri, die auf Geheiß ihres Herrn gekommen war, ihm ein Messer in die Schulter gestoßen hatte, wusste er, dass Frauen so tückisch sein konnten wie Männer. Ach, er hatte weiterhin jene im Bett benutzt, die sich ihm anboten - aber erst, nachdem er ihnen mit Wein, in das er ein Betäubungsmittel mischte, die Krallen gezogen hatte. Einige waren sehr versiert. Andere spielten die Spröde. Nun, die meisten gingen mit einem triumphierenden Lächeln. Selbst wenn sich nicht alle Hoffnungen erfüllt hatten, konnten sie sich rühmen, mit dem legendären Hind Div das Lager geteilt zu haben.
Bis auf diese da. Nachher hatte sie ihn mit der tränenschweren Verwirrung einer Unschuld angestarrt, die nicht begreift, was vorgefallen war.
Eine Jungfrau!
Hätte sie ihn nur nicht ein zweites Mal an sich gezogen und ihn angefleht, die Leidenschaft zu löschen, die er in ihr geweckt hatte, wäre er wachsamer gewesen. Doch als sie ihn so kühn umarmte, hatte er nicht auf Zweifel geachtet, überzeugt, sie wäre in der Liebeskunst so bewandert wie er. Die Schranke war durchbrochen, ehe ihm die Bedeutung klar wurde. Nun wusste er, wieso sie sich nicht als Verführerin präsentiert hatte.
»Sobhanallah!« Aber wer schickte schon eine echte Unschuld in die Höhle des Hind Div ?
Der Gedanke machte ihn schier wahnsinnig: Wie gejagt sprang er aus dem Bett und suchte nach dem Schreiben, das sie ihm hatte geben wollen. Auf frohlockenden Spott eines Widersachers gefasst, musste er entdecken, dass der Brief dem Mann galt, der er einst gewesen war. Er musste ihn zweimal lesen, ehe seine betäubten Sinne die volle Bedeutung erfassten.
Lieber Junge,
ich habe für Dich eine Braut! Ein wunderbares Geschöpf! Eine Frau, wie es sie selten gibt: klug, mit Vernunft und einem liebevollen Herzen ausgestattet. Ich schicke sie Dir zur Billigung, um sie mir dann wieder für eine Weile auszuborgen. Zweifellos wirst Du bei ihr einen Eindruck hinterlassen, der ein Leben lang anhält.
Bis Du bereit bist, bleibt sie in meiner Obhut. Aber lasse sie nicht zu lange warten, mein stolzer Freund - damit sie sich nicht an einen Unwürdigen bindet.
George Abbott.
Eine Braut!
Wieder stieß er einen Fluch aus! Einen Unwürdigeren für eine Unschuld wie sie gab es nicht.
Er war zurück ans Bett gestürzt, um sie mit Fragen zu bestürmen. Obwohl sie zu schlafen schien, hatte sie bereitwillig geantwortet. Tatsächlich hatte sie nach ihm gefasst, hatte versucht, ihn zu küssen. Kein Wunder, da er dem Wein ein Aphro-disiakum zugesetzt hatte - weshalb auch er vorhin willig davon trank. Die Antworten, die er auf seine Fragen bekam, dämpften, was von seiner Lust geblieben war, und steigerten seinen Abscheu vor sich selbst.
Miss Japonica Fortnom! Die Tochter eines britischen Handelsherren.
Der Name war ihm ein Begriff. Ihren Vater kannte er durch seine Geschäfte mit der East India Company flüchtig.
Es stimmte also. Sie war keine gedungene Mörderin. Und er hatte eine Unschuld verführt!
Unter ihm setzte eine Auseinandersetzung ein, Männerstimmen, feindselig erhoben. Der L ärm wurde lauter, als sie vor seinem Haus standen. Geräusche eines Handgemenges, ein Triumphschrei und Gelächter. Dann zogen die Streithähne weiter, und die Stille der Nacht störte niemand mehr.
Ein Gefühl, das er zunächst nicht erkannte, durchfuhr ihn. Bedauern. Es war ein Gefühl, das ihm schlecht anstand. Nicht nach dem Leben, das hinter ihm lag. Seine Sünden in der Todesstunde aufzuzählen, erschien ihm feige. Ihm wurde klar, dass er kein Gentleman mehr war - ja nicht einmal menschlich, wie er zuweilen argwöhnte. Tausend Jahre älter fühlte er sich als der idealistische junge Leutnant, der vor einem Dezennium nach Indien gegangen war, um sein Glück zu versuchen. Nein,
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