Arabische Nächte
Geräusche, als sie vor dem Büro des Regierungsbeauftragten der East India Company in Bushire auf dem Marmorboden auf und ab wandelte. Lord Shrewsbury war Gast im Hause des hohen Herren, und man hatte sie gerufen, damit sie über seine Verfassung Bericht erstatte. Alle hielten es für ein Wunder, dass er die Reise von Bagdad her schon eine ganze Woche überlebt hatte.
Zu einem Wiedersehen mit dem Hind Div war es nicht gekommen; doch hatte er seinen Teil des Handels eingehalten. In der Morgendämmerung nach ihrem Zusammentreffen stand ein takhi-I-ravan, ein landesübliches, aus einer von Pferden getragenen Sänfte, bestehendes Fortbewegungsmittel, vor der Tür des Viscount. In Begleitung uniformierter Bewacher war sie mit Aggie und Lord Shrewsbury heimlich aus Bagdad hinausgeschmuggelt worden.
Sie hätte erleichtert sein sollen und bereit, das ganze Abenteuer aus dem Gedächtnis zu streichen. Doch nichts konnte sie beschwichtigen oder befriedigen. Nicht die Rückkehr in die Bequemlichkeit ihres Heimes, die Freude an ihrem Kräutergarten oder gar die Gesellschaft ihrer Freundinnen. Was sie auch unternahm, nichts lenkte ihre Gedanken lange von der Erinnerung an ihre Begegnung mit dem Hind Div ab.
Er hatte ihr Gewalt angetan!
Japonica zog ihr Paisley-Tuch fester um die Schultern und beschleunigte den Schritt, als wolle sie ihren Gedanken davonlaufen.
Sobald die Wirkung der Droge nachgelassen hatte, war ihr nach und nach alles eingefallen und damit die Erkenntnis der Geschehnisse.
Die Wahrheit hätte sie schockieren sollen. Bemerkenswerterweise war das nicht der Fall. Erschienen ihr die Erinnerungen auch nicht ganz real, so bezweifelte sie doch keinen einzigen flüchtigen Schatten jener Nacht. Sie hatte ein Abenteuer gewollt und war ganz knapp einer Katastrophe entronnen.
Als ein Pfau im Hof einen Schrei ausstieß, blickte Japonica auf. Er stolzierte auf eine graue Pfauenhenne zu, die Schwanzfedern zu einem prächtigen Rad gespreizt. Vom Hind Div hätte er noch dazulernen können, was Blendung und Täuschung betraf. Nach wie vor brauchte sie nur die Augen zu schließen und sah seine fantastische Erscheinung vor sich, die Verlockung in den goldbraunen Augen. Wie die Pfauenhenne, die sich hingerissen und fasziniert gebärdete, hatte auch sie in ihrer gedankenlosen Bewunderung vergessen, sich vor den Künsten dieses Zauberers zu hüten.
Abrupt drehte sie dem Paarungstanz den Rücken. Er hatte sie behandelt, wie es von einem Banditen und Spion zu erwarten war. Empörenderweise hatte sie selbst zum Gelingen seines gemeinen Planes beigetragen, indem sie ihm den Wein eingeschenkt hatte, der ihr zum Verhängnis werden sollte! Aber am schlimmsten empfand sie die Tatsache, dass sie den Schuft freiwillig und ahnungslos geküsst hatte.
»Lüsternes Weib!« Japonica flüsterte dieses Wort, das von verbotenem Verlangen kündete. Es war die Droge, die bewirkt hatte, dass sie ihr Gefühl für Anstand verlor, tröstete sie sich, wenn die Ereignisse sie wieder überfielen. Doch glaubte sie es nicht ganz. Einst hatte sie befürchtet, als alte Jungfer zu sterben, ohne je Verlangen gespürt zu haben. Zu ihrer Verwirrung kannte sie es jetzt.
»Närrin!«
»Wie bitte?«
Japonica drehte sich zu dem Sprecher um. Der Regierungsbeauftragte hatte seine Tür geöffnet und sah sie fragend an. »Verzeihung, Sir.« Sie knickste, um ihre Verlegenheit zu verbergen. »Ich wusste nicht, dass ich nicht mehr allein bin.«
Er neigte den Kopf, um die Länge der Veranda hinunterzublicken, ehe er sagte: »Treten Sie ein, Miss Fortnom.«
Die nächsten Minuten vergingen mit dem üblichen Höflichkeitsritual von Jasmintee bis zu Ingwerplätzchen. Dann zog sich der Diener endlich zurück, der hohe Herr stellte die Teetasse ab und lehnte sich mit breitem Lächeln in seinem Sessel zurück. »Nun, Sie haben es gut gemacht, Miss Fortnom. Sehr gut!«
»Mir wäre wohler zu Mute, wenn Lord Shrewsbury mit Genesung rechnen dürfte.«
Ihr Gegenüber schüttelte langsam den Kopf. »Es kann Ihnen ebenso wenig wie ihm entgangen sein, dass er im Sterben liegt.«
»Das bedauere ich zutiefst.«
»Es ist nicht Ihre Schuld. Lord Abbott lobt Ihre aufopfernde Pflege über die Maßen. Er sagt, die leichte Besserung der letzten Wochen verdankt er allein Ihnen.« Er griff in die Tasche seines Gehrockes und entnahm ihr ein versiegeltes Dokument. »Tatsächlich trug er mir auf, Ihnen eine andere Sache vorzulegen. Sie ist so ungewöhnlich, dass ich sie nicht guten Gewissens
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