ARALORN - Der Verrat (German Edition)
nach.
Eil dich , sprach da die unwillkommene Stimme des Windes zu ihr. Der Tod kommt.
Soll er doch warten , dachte sie.
Sie überholte Gerem im Flug und konnte sich erst in der Nähe der Ställe zu ihm umdrehen. Gänseschwingen waren für weiträumige Flugbahnen gemacht, nicht für die blitzschnellen Wendemanöver eines Greifvogels. Insbesondere die einer Hausgans, die schon große Schwierigkeiten damit hatte, überhaupt zu fliegen.
In diesem Moment sah sie den Jauler.
Er wartete gleich vor den Ställen im mondbeschienenen Burghof. Der Wind trug seinen Geruch fort von den empfindsamen Nasen der untergebrachten Pferde. Aralorn erinnerte sich, dass auch der letzte Jauler ziemlich unerwartet aufgetaucht war, und fragte sich, ob die Viecher den Wind irgendwie zu ihren Gunsten kontrollieren konnten.
Die Gefährtin des Getöteten , sprach der Wind so klar, als flüsterte ihr jemand ins Ohr. Traumgerufen und blutdurstig .
Aralorn, noch immer in der Luft, konnte Unterschiede zwischen diesem und dem Jauler ausmachen, den sie zuvor getötet hatte. Die Mähne dieses Exemplars war länger und dunkler, mit sowohl roten als auch gelben Tupfen. Nur die Augen waren dieselben. So tief kristallblau, dass man in ihnen schier zu ertrinken drohte.
Zauberei , dachte sie. Diese Kreaturen verfügten über Magie, um ihre Opfer dazu zu bringen, ihnen in die Augen zu schauen. Sie wäre nicht nur aus purer Dummheit von dem anderen fast geschnappt worden.
In den magischen Bann des Jaulers geschlagen, kam sie auch diesem Exemplar viel zu nah. Erst als es sich bewegte, konnte sie sich losreißen. Der Jauler erhob sich geschwind auf die Hinterläufe und schlug zu. Aralorn zog die Flügel ein und schwebte zu Boden, wich dem vernichtenden Hieb im allerletzten Moment nur um wenige Fingerbreit aus.
Der Wind lachte, mal donnernd, mal kreischend, dass es ihr in den Ohren wehtat. Windberührt , sagte er. Des Jaulers Lockung. Hast du wahrhaftig geglaubt, dich ihm unbemerkt nähern zu können?
Gerem kam in den Burghof gerannt. Als er den Jauler sah, ließ er das Messer fallen. Die Kreatur erwiderte seinen Blick und ließ ihn an Ort und Stelle erstarren. Ohne noch auf Aralorn zu achten, trat das Biest auf den Jungen zu und ließ das schrille, heulende Geräusch hören, das sie schon einmal vernommen hatte.
Allein, so allein … ohne den Gleichklang, den ihr der Gefährte gewährt hatte. Sie wollte denjenigen finden, der sie an diesen verfluchten Ort gebracht hatte und seinen Geist zerfetzen. Aber der Herbeirufer war zu mächtig und man konnte sich ihm nicht widersetzen. Dieses Kind muss zuerst sterben.
Aralorn erhob sich vom Boden, wechselte noch in der Luft in ihre menschliche Gestalt. Als sie fiel, landete sie direkt auf dem Jauler, fast so wie bei seinem Gefährten – aber diesmal hatte sie Ambris statt ihrer Messer dabei.
Doch der Jauler ließ sich fallen, sobald Aralorn ihn berührte, und drehte sich geschwind auf dem eiskalten Boden zu ihr herum. Aralorn hatte ihre liebe Not, nicht von den Klauen der Kreatur erwischt zu werden. Sie war dabei nur teilweise erfolgreich.
Das Blut strömte über ihren Arm, als sie hastig den Rückzug antrat, und sie hatte Ambris verloren. Das Schwert lag hinter dem Jauler auf dem Boden. Für Gerem wäre es ein Leichtes gewesen, es zu erreichen, doch ihr Bruder hatte sich nicht vom Fleck bewegt, seit er in den Burghof gekommen war. Der Jauler stand zwischen Aralorn und Gerem und damit zwischen Aralorn und dem Schwert.
Nun , dachte sie humorlos, wenigstens hab ich seine Aufmerksamkeit . Doch ohne Waffe würde sie diese Aufmerksamkeit nicht allzu lange haben – es sei denn, er war hungrig. Doch da war Hilfe in den Ställen. Sie stieß einen langen schrillen Pfiff aus, während sie langsam rückwärts ging.
Dankbar für jede so herausgeschundene Sekunde beschloss sie, in ihre Eisluchsgestalt zu wechseln, doch kaum hatte sie zu der Verwandlung angesetzt, da griff der Jauler an.
Er verfehlte seine Attacke nur um Millimeter, da sie in letzter Sekunde unter ihrem Angreifer hinwegtauchte. Damit stand sie nun auf der richtigen Seite, um ihr Schwert zu bergen. Das ging natürlich besser in menschlicher Gestalt. Sie beschloss, sich nicht zu verwandeln, andererseits konnte auch der wendige Eisluchs das Schwert in Sicherheit bringen … Der Gedanke war noch nicht ganz in ihrem Kopf, da wechselte sie auch schon ihre Form.
Sie schüttelte sich und versuchte, das Gliederreißen und Muskelzwicken zu ignorieren – eine
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