ARALORN - Der Verrat (German Edition)
sich träumen lassen, dass sie ihm einmal so viel bedeuten würde.
Aus der schwarzen Magie kann nichts Gutes erwachsen, hatte Kisrah gesagt. Und die Priesterin von Ridane hatte ihr prophezeit, dass schon bald jemand sterben werde. Aralorn zitterte und presste sich noch enger an Wolfs Körper, als ob sie ihn allein durch ihre Präsenz beschützen konnte.
Es war noch nicht ausgesprochen worden, aber nach allem, was Wolf angedeutet hatte, schien es, als ob er den Bann schon morgen aufheben würde. Das würde dem Traumwandler gewiss nicht gefallen.
Vielleicht ging er ja heute Nacht wieder um.
Sie fand, der sicherste Weg, dies herauszufinden, war, sich in Nevyns Zimmer einzuschleichen. Vielleicht war es ja schon zu spät, doch die Nacht war noch nicht ganz vorüber, und es war genau zu dieser Stunde gewesen, als sie »Geoffrey« zu Kisrah sprechen sah.
Sie wollte aus dem Bett schlüpfen.
»Aralorn?« Wolf klang verschlafen.
»Ich gehe ein paar Stunden spionieren«, sagte sie leise, obwohl er mittlerweile hellwach war. Sie hätte sich denken können, dass sie sich nicht so einfach davonschleichen konnte. »Ich muss noch ein paar offene Fragen klären, und heute ist vielleicht die letzte Gelegenheit dazu.«
Er zog sie in der Dunkelheit an sich, bis ihre Stirn an seiner ruhte. »In Ordnung«, sagte er nur. »Sei vorsichtig.«
Sie schob das Kinn vor, bis sich ihre Lippen berührten. »Das werde ich.«
Im Dunkeln legte sie ihre Kleider an, verzichtete auf Schuhwerk, griff aber nach einem Moment des Zögerns zu ihrem Schwert und den Messern. Falls sie mit einem wütenden Zauberer aneinandergeriet, wäre Ambris besser als nichts.
In die Finsternis des Zimmers hinein sagte Wolf zärtlich: »Ich liebe dich.«
Aralorn blickte zurück, doch sie konnte nur seine Umrisse auf dem Bett erkennen. »Ich liebe dich auch. Bin in ein paar Stunden wieder zurück.«
»Ja«, sagte er.
Als er allein war, zählte er still bis hundert, dann sprang er aus dem Bett. Er kleidete sich sorgfältig an. Er hatte in seinem Leben schon so viele schlimme Dinge getan, dass das, was vor ihm lag, bei weitem nicht das Schlimmste war. Zumindest war es diesmal die beste Lösung für alle.
Er wünschte, er könnte es aufschieben, aber eine so günstige Gelegenheit würde er kein zweites Mal erhalten. Er hatte sich schier das Hirn zermartert, um einen Weg zu finden, sie lange genug von sich fernzuhalten, und nun hatte Aralorn es ihm unfreiwillig so leicht gemacht. Er zog das Messer aus seinem Gürtel und überprüfte die Schneide an seinem Daumen. Ein Tropfen Blut quoll hervor und rann bis zum Handgelenk herab. Er leckte ihn fort.
Aralorn war auf dem Weg nach oben, als ein schwaches Geräusch ihr anzeigte, dass noch jemand in der Nähe war. Sie erstarrte mitten in der Bewegung und lauschte in die Dunkelheit auf der Suche nach etwas, das sich bewegte. Schließlich entdeckte sie eine Etage über sich einen etwas helleren Lichtschein am rechten Handlauf der Treppe.
Sie huschte die Stufen hinauf und war dem Stein unter ihren Füßen dankbar dafür, dass er alle Geräusche schluckte. Bei einer hölzernen Treppe wäre dies alles nicht so lautlos vonstatten gegangen. Wenn sie sich in einem der Säle von Lammfeste befunden hätte, hätte sie sich im Ernstfall ungesehen in die Ecken drücken können, aber der Treppenaufgang hier war einfach zu eng, um sich irgendwo zu verstecken.
Sie sagte sich, dass es keinen Grund gab, sich vor einer Begegnung hier draußen zu fürchten, dann wieder war sie wohl einfach zu lange Spionin gewesen. Ihre Instinkte waren oftmals übermächtig.
Als sie den letzten Treppenabsatz erreichte, stand sie unvermittelt vor Gerem. Er hätte sie eigentlich nicht hören können, doch er wirkte alles andere als überrascht.
»Gerem?«, fragte sie.
Er runzelte die Stirn, wirkte fast so zerstreut, als konzentriere er sich auf etwas ganz anderes. »Was machst du hier?«, fragte er ohne besonderes Interesses.
»Das wollte ich dich auch gerade fragen.« Irgendwas stimmt nicht mit ihm , dachte sie. Seine Sprache wirkte undeutlich, die Worte verschliffen, als hätte er getrunken. Doch sie konnte keinen Alkohol riechen, als sie näher an ihn herantrat.
»Die Toten wandeln heute Nacht«, sagte er. Es klang kein bisschen dramatisch und so, als spräche er über die rechte Pferdefellpflege.
Aralorn lief es bei seinen Worten wie seiner Sprechweise eiskalt den Rücken herunter. »Gerem, soll ich dich auf dein Zimmer bringen? Möchtest du nicht
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