ARALORN - Der Verrat (German Edition)
ernsthaft angeschlagen war.
Wellen der Erschöpfung spülten über sie hinweg, während sie aus den Augenwinkeln sah, wie Kisrah mit Gerem rang. Neben dem Stall tauchten weitere Leute auf. Sie nahm Ambris in ihre unverletzte linke Hand und wandte sich wieder dem Gefecht mit dem Jauler zu.
Ein normales Pferd hätte keine Chance gegen einen solchen Gegner gehabt. Aber Schimmer war kampferprobt und mit Eisen beschlagen. Seine Wintereisen waren aufgeraut, um auf glattem Untergrund besseren Halt zu bieten, und den Schaden, den die so bewehrten Hufe, angetrieben von einem rasenden Schlachtross, austeilten, war nicht zu verachten. Und er war gerissen, vermied es nach Möglichkeit, den Jauler von vorn anzugreifen.
Irgendwie schaffte es Aralorn, sich aus Schimmers Angriffslinie zu bringen. Das Pferd fing sich einen verheerenden Tritt zwischen die Rippen ein, doch in der Dunkelheit konnte sie nicht erkennen, wie schlimm es war. Aufwiehernd wirbelte das Schlachtross daraufhin herum und schlug mit den Hinterbeinen aus, verpasste den Jauler aber, weil der plötzlich zusammengebrochen war. Beide, Aralorn wie Schimmer, hielten inne und sahen misstrauisch auf die Kreatur herab. Einmal, zweimal hob sich noch der Brustkorb, dann atmete sie nicht mehr.
Das Gift des Eisluchses, dachte Aralorn erleichtert und ließ das Schwert sinken.
»Es ist gut, Schimmer«, beruhigte sie das noch immer schnaubende Pferd. Sie wusste, ihre Stimme würde den Hengst schneller beschwichtigen als irgendetwas sonst. »Das Ding ist tot.«
13
Wolf stand nahe beim Vorhang des Aufbahrungsraums und wob eine dünnes Netz aus Dunkelheit, damit ein zufälliger Beobachter kein Licht unter dem schweren Stoff hervorquellen sah und so darauf aufmerksam wurde, dass jemand beim Löwen war. Grüne Magie erwuchs gemäß seinem Wunsch, wenn schon nicht gemäß seinem Ruf, und schon bald verband sich der Zauber mit anderer Magie, um seine Anwesenheit zu verschleiern.
Wolf wartete noch ein Weilchen, nahm dann seine menschliche Gestalt an, rief seinen Stab herbei und erleuchtete mit ihm den Raum. Dann trat er zum Löwen und berührte mit den Fingern sanft dessen regloses Gesicht.
Aralorn hatte immer darüber gelacht, wie wenig Familienähnlichkeit sich bei ihr fand, doch Wolf vermochte die energische Linie ihres Kinns im Antlitz ihres Vaters wiederzuerkennen. Wenn man sich die Farbe des Teints und den Größenunterschied wegdachte, dann erkannte man mit Leichtigkeit, dass der Löwe ihr Erzeuger war.
»Dies ist der letzte Tag Eurer Ruhe, mein Herr«, murmelte Wolf. »Ich hoffe, Ihr hattet angenehme Träume.«
Er löste seinen Beutel vom Gürtel und entleerte dessen Inhalt auf die Bahre, auf welcher der Löwe gebettet lag – er bestand vornehmlich aus Kreide, Tinte und Federkielen. Es würde eine Weile dauern, den Zauber zu kreieren, der die Verhexung des Löwen aufheben konnte.
Aralorn umrundete die Leiche des Jaulers und murmelte ihrem Hengst beruhigend zu. Erst nach einer ganzen Weile gab Schimmer seine Kampfhaltung auf und stupste sie so fest an, dass sie ein paar Schritte zur Seite stolperte. Sie untersuchte die Schrammen an seiner Seite und seufzte erleichtert auf. Keine der Verletzungen war sonderlich tief, und sie bluteten auch nicht mehr so heftig wie zuvor. Er würde einige Tage keinen Sattel tragen können, aber wenn die Wunden erst mal gesäubert und verarztet waren, war das alles kein Problem.
Aralorn war hin und her gerissen zwischen ihrem lebenslangen Grundsatz »Kümmere dich zuerst um dein Pferd« und der Tatsache, dass Gerem noch immer in Gefahr schwebte. Sie schob Schimmer in einen kleinen schützenden Pferch gleich neben dem Stallgebäude und versprach ihm, sofort nach ihm zu sehen, sobald sie das Dringendste erledigt hatte.
Der Wind hatte die Richtung gewechselt und blies den Geruch des toten Jaulers durch die Ställe. Die Pferde trampelten und wieherten unruhig in ihren Boxen. Dies lockte die Stallburschen herbei, die alsdann glotzend über dem Kadaver des Jauler standen.
Aralorn kümmerte sich nicht um sie und rannte zu Kisrah, der immer noch Gerem in Schach hielt. Auf dem Weg klaubte sie ihr Schwert Ambris auf und schob es zurück in die Scheide.
»Er hat versucht, an sein Messer zu kommen«, informierte Kisrah sie, als sie in Hörweite war. »Als ich gesehen hab, wie dringend er zu diesem Jauler wollte, dachte ich, das mit dem Messer wäre eine ebenso schlechte Idee.«
»Könnt Ihr ihn noch eine Weile festhalten?«, fragte sie. »Ich
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