ARALORN - Der Verrat (German Edition)
»Du hältst dich für so klug, Correy – dabei weißt du nicht mal, dass man zu einer formellen Zusammenkunft keine Waffen trägt. Mutter wird dir bei lebendigem Leibe das Fell über die Ohren ziehen.«
Correy lächelte nur. »Eigentlich wollte ich dir ja sagen, dass dieses Schwarz ausgesprochen gut zu deinem Haar passt.«
»Findest du wirklich?«, fragte Lin besorgt, auf einmal durchaus willens, etwas auf das eben noch zurückgewiesene Urteil ihres Bruders zu geben.
»Sonst würd ich’s doch nicht sagen, Lin«, entgegnete er voller offensichtlicher Zuneigung.
Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und nahm von ihrer lang verschollenen Schwester wenig Notiz.
»Ich entschuldige mich für ihre Unhöflichkeit …«, setzte Correy an, aber Aralorn schüttelte lachend den Kopf.
»Ich bin auch mal vierzehn gewesen.«
Er lächelte und richtete seinen Blick beiläufig auf Wolf, doch als er die ernsten gelben Augen sah, erschrak er. » Bei Allyns Leinkraut , Aralorn. Mutter hat mir zwar gesagt, dass du dein Lieblingstier mitbringst, aber sie hat nicht gesagt, dass es sich um einen Wolf handelt.«
Er kniete sich hin, um ihn besser betrachten zu können, wobei er jedoch geflissentlich darauf achtete, ihm nicht zu nahe zu kommen. »Ich hab noch nicht viele schwarze Wölfe gesehen.«
»Hab ihn in den Nordlanden gefunden«, entgegnete Aralorn. »Er steckte in einer alten Falle fest. Als seine Verletzung ausgeheilt war, hatte er sich bereits an mich gewöhnt. Aber er kommt und geht immer noch, wie es ihm gefällt. Bis ich ihn im Burghof wiedersah, wusste ich gar nicht, dass er mir hierher gefolgt ist.«
»Hallo, Bursche«, sprach Correy das Tier mit sanfter Stimme an und streckte vorsichtig seinen Arm aus, bis er die dichte Fellkrause am Hals des Wolfs berührte.
»Du brauchst keine Angst zu haben. Er hat noch nie jemanden gebissen … zumindest niemanden, der ihn bloß streicheln wollte.«
Es gab keinen Grund, sich bei den vielen Menschen im Raum wegen der zielstrebigen Schritte, die sich ihr von hinten näherten, irgendetwas zu denken, aber Aralorn fuhr trotzdem alarmiert herum. Feindseligkeit hatte stets diese Wirkung auf sie.
Der Mann, der auf sie zukam, hatte dunkles Haar und dunkle Augen und war alles in allem der Inbegriff eines darranischen Lords. Nicht so wohlgestalt wie Wolf – der zur einen Hälfte Darraner war und dies auch nicht verbergen konnte – und weniger gefährlich aussehend, aber er besaß etwas von Wolfs Anmut, wenn er sich bewegte. Nevyn , dachte sie mit einem Anflug von Resignation, die sich in ihre Nervosität mischte.
Er blieb direkt vor ihr stehen, so nah, dass er auf sie herunterblickte und sie gezwungen war, zu ihm aufzuschauen. »Du entweihst diese Zusammenkunft durch deine Anwesenheit, Gestaltwandlerin.«
»Nevyn«, begrüßte sie ihn höflich.
Aus den Augenwinkeln heraus nahm sie wahr, dass Wolf sich von Correy zurückzog und sich an Nevyn heranschlich. Unter seinen emporzuckenden Lefzen blitzten seine Fangzähne auf.
»Wolf, nicht «, sagte sie mit fester Stimme und hoffte, er würde auf sie hören.
Gelbe Augen funkelten sie an, doch das Knurren verebbte, und ihr Begleiter trottete wieder zurück an ihre Seite.
Nachdem sie sicher war, dass Wolf nichts Unüberlegtes tun würde, wandte Aralorn ihre Aufmerksamkeit wieder Nevyn zu; doch die kurze Ablenkung hatte ihr gutgetan – und vielleicht hatte das überhaupt nur in Wolfs Absicht gelegen. Er war ein raffiniertes Biest. Wesentlich gefasster nun, musterte sie den darranischen Zauberer. Die Jahre waren freundlich zu ihm gewesen, hatten seine Schultern breiter und die Linien seines Mundes weicher werden lassen. Die Scheu, die ihm einst angehaftet hatte, war verschwunden und hatte einen ernsten, gut aussehenden Mann zurückgelassen, der bereit schien, seine Familie vor ihr zu beschützen.
»Es tut mir wirklich leid, dass du so denkst«, sagte sie. »Aber der Löwe ist mein Vater, und ich werde seiner Beisetzung beiwohnen. Ich bitte dich um seinetwillen um Frieden. Falls du es für nötig hältst, können wir dies vielleicht später in einem weniger öffentlichen Rahmen diskutieren.«
»Sie hat recht, mein Gemahl«, sagte in dem Moment eine energische Stimme, und eine Frau, ein wenig größer als Nevyn, erschien zu Aralorns Linken. In Freya hatte sich Lins Verheißung von Schönheit bereits erfüllt. Volles, rot-goldenes Haar floss in herrlicher Pracht bis zu ihren schmalen Hüften herab. Ihr Bauch war von ihrer
Weitere Kostenlose Bücher