Arbeit - Leben - Glueck
verstehe, oder liegt es an mir?
Ist mein Fach wirklich so langweilig oder habe ich meine Interessen falsch eingeschätzt?
Stelle ich trotz aller Schwierigkeiten fest, dass meine Begeisterung für das Fach immer noch besteht?
Startschwierigkeiten und ungünstige Umstände sind für sich genommen noch kein Grund, etwas Begonnenes aufzugeben. Es ist normal, dass wir etwas aushalten müssen, wenn wir ein Ziel erreichen wollen: Rückschläge, Stagnation, Selbstzweifel. Oft geht es einfach nur darum, stur vor sich hin zu pauken, schlecht geschriebene Texte zu lesen und alle kritischen Gedanken auszuschalten. Das sind die so genannten »Mühen der Ebene«: immer wieder eine bestimmte Übung machen, Vokabeln lernen, Formeln herleiten, den Gedanken anderer folgen. Vor dem Hintergrund dieser Probleme bringt es wenig, etwas Neues zu beginnen. Schon bald nach dem Abklingen der ersten Begeisterung (für das Neue) wären die Probleme wieder da. Egal, was man macht: Man kann ein Ziel nur erreichen, wenn man Ausdauer hat. Der Erfolg stellt sich nur langsam ein und man muss etwas dafür tun.
Doch angenommen, man hat wirklich das Falsche angefangen, dann ist so ein Neustart etwas Schönes und Erlösendes. Außerdem ist man mit dem ständigen Hinweis auf das lebenslange Lernen ja ohnehin dazu aufgefordert, Verschiedenes |57| auszuprobieren und immer wieder von vorn anzufangen. Und das gilt natürlich besonders, solange man jung ist und heiß auf alles Mögliche. Warum also sollte man sich diese Phase des Experimentierens entgehen lassen und gleich ohne Umwege und »Fehler« durchstarten?
Umwege können genauso zum Ziel führen wie der direkte Weg. Man sammelt Erfahrungen, trifft ein paar neue Entscheidungen, ändert seine Lebenspläne. So gesehen ist es kein Problem, nach einem oder auch mehr Semestern zu sagen: Fach und Uni X sind doof, ich habe mich geirrt, aber ich weiß jetzt genau, was ich stattdessen machen will. Für mich gibt es nur noch Fach Y und Uni Z.
Umwege können zum Ziel führen, müssen es aber nicht. Sie können auch Irrwege oder Sackgassen sein, aber das kann man vorher nicht wissen. Die Unklarheit über den Ausgang eines Experiments soll jedoch niemand davon abhalten, es dennoch zu probieren. Aber wer jemals ein Experiment durchgeführt hat, der weiß, dass er den Versuchsaufbau kontrollieren und Buch darüber führen muss, was gerade passiert. Übertragen auf das Experiment des Umwegs bedeutet das:
mehr als sonst ein Auge auf sich haben,
wissen, warum man etwas anderes will,
wissen, dass man etwas dafür tun muss,
wissen, was man dafür tun muss.
Klar ist auch, dass man einmal wechseln kann und auch noch ein zweites oder drittes Mal. Auf keinen Fall aber darf es ewig so weitergehen. Je öfter man wechselt, umso höher wird der Entscheidungsdruck, es jetzt endlich richtig zu machen. Eine Ausbildung oder ein Studium sind ja schließlich kein Dauerzustand.
Natürlich gibt es auch von dieser Regel Ausnahmen, etwa der »ewige Student«, der 20 oder 30 Semester studiert und |58| danach immer noch nicht weiß, was er eigentlich machen will. Sein Beispiel zeigt vor allem dies: Man muss nicht unbedingt einen Beruf erlernen, Karriere machen, eine Familie gründen und irgendwann in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Aber die Tatsache, dass der ewige Student eine absolute Ausnahmeerscheinung ist, könnte einen doch auf die Idee bringen, dass die meisten Menschen sich weiterentwickeln wollen, statt auf einer Stufe stehen zu bleiben oder gar zurückzufallen.
Ob das für einen selbst auch zutrifft, kann jeder mit einem einfachen Gedankenspiel prüfen:
Angenommen, eine Fee kommt und macht drei Menschen, denen sie begegnet, ein Angebot: Ein Kleinkind darf noch mal Säugling sein, ein Schüler noch mal in den Kindergarten zurück, ein Student noch mal aufs Gymnasium. Wie würden sich die drei entscheiden? Was würde ich selber tun, wenn ich die Wahl hätte?
Einfach in der Zeit zurückzukönnen, das ist schon verlockend. Wer zu diesem Angebot trotzdem Nein sagt, kann dafür eigentlich nur ein Motiv haben: Er will nicht hinter das bereits Erreichte zurückfallen. Weiterentwicklung ist ein Grundbedürfnis. So gesehen ist das Problem bei einem Fehlstart nicht der Fehlstart selbst. Das kann jedem passieren und es ist nicht weiter schlimm. Die Aufgabe besteht darin, dass man danach eine bessere Richtung einschlägt.
|59| Durchhalten oder abspringen?
Manchmal geht es bei dieser Frage um Leben und Tod. Das zeigt die
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