Arbeit - Leben - Glueck
Drittel des Staatshaushalts. Der zweitgrößte Einzelbetrag mit 138 Milliarden entfiel auf die Umsatzsteuer. Darin enthalten: rund 106 Milliarden Mehrwertsteuer. Der drittgrößte Einzelbetrag war die Mineralölsteuer mit rund 42 Milliarden. So finanzieren die Arbeitnehmer auch als Konsumenten und Autofahrer die sozialen Sicherungssysteme mit.
|142| Wer ohne Arbeit lebt
Im Jahr 2003 waren rund 46 Millionen Menschen in Deutschland nicht erwerbstätig. Darunter sind rund 36 Millionen Rentner, Invaliden, chronisch Kranke, Babys, Kinder und Jugendliche. Sie alle sind nicht erwerbs
fähig.
Nur die rund 3 Millionen Sozialhilfeempfänger und die rund 4 Millionen Arbeitslosen könnten theoretisch arbeiten. Hinzu kommen noch einmal geschätzte 2 Millionen nicht registrierte Arbeitslose, die keine Transferleistungen erhalten, aber auch nichts in die Sozialsysteme einzahlen. Die Mehrheit der Arbeitslosen würde gerne arbeiten, findet aber nichts Passendes.
Arbeitslosigkeit entstand bis vor wenigen Jahren vor allem durch den »normalen« Wandel der Arbeitswelt: Durch moderne Technik und Rationalisierung wurden viele Menschen mit einfacher Qualifikation arbeitslos, weil man sie nicht mehr brauchen konnte. Doch mittlerweile gibt es noch einen anderen Grund für die steigende Arbeitslosigkeit: Menschen werden arbeitslos, weil sie den Arbeitgebern zu teuer sind. Nicht nur wegen der bei uns (im Vergleich zu anderen Ländern) relativ hohen Löhne und Gehälter, sondern auch wegen der Personalzusatzkosten, also dem, was der Arbeitgeber zum Bruttolohn dazugibt. Je nach Branche erreichen die Personalzusatzkosten bis zu 80 Prozent des Bruttolohns. Verdient ein Arbeiter 2000 Euro im Monat, muss der Arbeitgeber also nochmals 1600 Euro dazulegen, um seinen Verpflichtungen nachzukommen.
Andere Länder, vor allem in Osteuropa und Asien, finanzieren ihre Sozialsysteme anders oder haben gar keine. Hinzu kommt, dass die Lebenshaltungskosten erheblich niedriger sind. Ein indischer ED V-Experte verdient in Indien etwa 8000 Euro im Jahr. Damit ist er dort ein Spitzenverdiener. |143| In Deutschland würde derselbe Mann vielleicht 50 000 Euro im Jahr verdienen und könnte sich von dem Geld lediglich einen gehobenen Lebensstandard erlauben. Indische ED V-Experten gehören zu den besten auf dem Weltarbeitsmarkt. Eine deutsche Firma kann also beruhigt in Deutschland ihre Tore schließen und in Indien arbeiten lassen. So werden selbst qualifizierte Menschen, die gerade noch voll im Erwerbsleben standen, von einem Tag auf den anderen arbeitslos, weil ihre Firma, ihre Abteilung, ihre Zweigstelle in ein Billiglohnland abwandert.
Oft gibt es freie Stellen nur in solchen Bereichen, die keiner machen will: Service, Pflege, Reinigung, Gastronomie, Erntehilfe. Richtige Knochenarbeit also, die gleichzeitig in den so genannten Niedriglohnbereich gehört. Die Aufnahme einer solchen Tätigkeit ist oft nicht nur ein beruflicher Abstieg (erst Prokurist, dann Würstchenverkäufer), sie lohnt sich auch gar nicht, solange man ein ausreichend hohes Transfereinkommen erhält.
Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die seit Januar 2005 in Kraft getreten ist, soll das alles anders werden. Ziel ist es, mehr Menschen in Arbeit zu bringen und möglichst viele Transfereinkommen einzusparen. Früher war es so: Einer Familie mit zwei Kindern, in der beide Eltern nicht arbeiten, stand im Jahr 2003 eine monatliche Sozialhilfe inklusive Mietzuschuss von rund 1550 Euro zur Verfügung. Ging der Vater zum damals niedrigsten Tariflohn von 8,70 Euro einer Erwerbstätigkeit nach, hatte die Familie (inklusive ergänzender Sozialhilfe) rund 1700 Euro im Monat, das sind nur 150 Euro mehr. Geht man von einer 3 8-Stunden -Woche aus, das sind etwa 155 Stunden Arbeit, kam der Vater auf nicht einmal einen Euro pro Stunde, den er zusätzlich hatte, wenn er arbeiten ging.
Weil einige unter diesen Umständen oft jahrelang nicht bereit waren, eine Arbeit anzunehmen, war nicht mehr von |144| sozialer Absicherung, sondern von sozialer Hängematte die Rede. »Alter Sozialhilfeadel« heißen im Volksmund jene Familien, die schon in der zweiten oder dritten Generation fernab der Arbeitswelt existieren, das Sozialgesetzbuch in- und auswendig kennen und ihre Ansprüche voll ausschöpfen.
Durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe werden Arbeitsfähige nun stärker gefordert. Lehnen sie eine angebotene
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