Arbeit - Leben - Glueck
2 Millionen.
Von allen untersuchten Ländern finden die Menschen in Schweden am schnellsten wieder eine Arbeit. Nur rund 16 Prozent der Schweden sind länger als ein Jahr arbeitslos. Wie ist dieser Wert zu erklären? Geht es der schwedischen Wirtschaft so gut? Besitzt der Staat Erdölquellen und hat deshalb unbegrenzte Möglichkeiten, seine Bürger zu versorgen? Nein. Die Schweden zahlen bloß noch mehr Steuern und Sozialabgaben als wir und finanzieren damit ein großzügiges System der sozialen Sicherheit. Kein Schwede, der vorübergehend auf Hilfe angewiesen ist, muss auf etwas verzichten. Arbeitslosigkeit wird allerdings nicht wie bei uns mehr oder weniger hingenommen, sondern abgebaut, kaum dass sie entstanden ist. Es sind vor allem zwei Dinge, die in Schweden ganz anders sind als bei uns:
|148| Es gibt praktisch keinen Kündigungsschutz, die Unternehmen können nach Belieben heuern und feuern. Ständig werden Leute arbeitslos, aber das ist kein besonderes Problem, sondern eher ein ganz normales Ereignis. Es wird auch nicht wie bei uns als Ausdruck des persönlichen Versagens oder als Makel aufgefasst.
Wer arbeitslos wird, erhält ein Transfereinkommen, weit mehr als bei uns, aber er wird auch mehr gefordert. Von Anfang an kümmern sich die zuständigen Behörden intensiv um ihre Klienten. Schwedische Arbeitslose werden gefordert und gefördert. Wer eine Arbeit ablehnt, muss schon wirklich einen guten Grund haben. Arbeitslose müssen mobil sein und viel mehr Initiative zeigen, werden ständig geschult, weitergebildet, aktiviert.
Das, was bei uns nur in Ansätzen vorhanden ist, ist in Schweden (und übrigens auch in Dänemark, dem europäischen Land mit der zweitniedrigsten Langzeitarbeitslosenquote) ein tagesfüllendes Programm. Wer in diesen Ländern arbeitslos ist, kommt kaum einmal zur Ruhe. Wäre dieses Buch in Schweden oder Dänemark erschienen, wäre der ganze nächste Abschnitt überflüssig, in Deutschland muss er momentan leider noch drinbleiben.
|149| Europa im Vergleich: Wie viele sind länger als ein Jahr arbeitslos?
Quelle: Statistisches Bundesamt, repräsentative Umfrage aus 2004, Angaben in Prozent.
|150| Arbeit suchen, Arbeit finden
Trotz guter Chancen werden auch Akademiker arbeitslos. Um die 5 Prozent fassen nicht so gut in der Arbeitswelt Fuß, wie ihre Ausbildung das erwarten lässt. Trotz dieser Quote heißt es, dass arbeitslose Akademiker
nicht
zu den Problemgruppen des Arbeitsmarktes gehören. Warum?
Sie sind motiviert und bemühen sich intensiv um eine Stelle oder um den Einstieg in eine andere Erwerbsform.
Sie verfügen über gute Netzwerke oder schaffen sich welche (z. B. den Dachverband der Initiativen Akademiker und Arbeitswelt, DIAA oder da Internetportal monster. de).
Solange sie jung sind, werden sie von den Arbeitgebern heftig umworben (auf Bildungsmessen, mit Inseraten, im Internet), so dass sie viele Alternativen haben.
Sie sind anschlussfähiger und können einen neuen Job auch dann übernehmen, wenn sie vorher etwas ganz anderes gemacht haben.
Das einzige Problem der Akademiker ist somit nicht die fehlende, sondern die
falsche
Qualifikation. Für keine andere Gruppe des Arbeitsmarktes gibt es deshalb so viele Trainingsangebote, Schulungsmöglichkeiten und Kurse, die nur eines zum Ziel haben: die vorhandene Grundqualifikation in die richtigen Bahnen zu lenken.
Falsche Qualifikation stellt weder für die Arbeitgeber noch für die Akademiker selbst eine unüberwindliche Hürde dar. Denn wenn sie an den Hochschulen und Universitäten etwas gelernt haben, dann ist es das Lernen selbst. Auch wenn sie die falsche Qualifikation haben, bereitet es ihnen nur wenig Mühe, sich in neue Arbeitsgebiete einzuarbeiten. So wurden in den vergangenen Jahren zum Beispiel viele arbeitslose Naturwissenschaftler zu Wissenschaftsredakteuren |151| ausgebildet, da die Vermittlung von Fachwissen stark nachgefragt war und ist, aber nur von wenigen Journalisten beherrscht wird. Bis heute haben Naturwissenschaftler mit journalistischer Zusatzausbildung gute Chancen, einen der begehrten Redakteursposten bei einer der vielen Fachzeitschriften zu ergattern.
Trotz all dieser guten Nachrichten haben es Arbeitslose und damit auch arbeitslose Akademiker schwerer, etwas Neues zu finden, als Leute, die noch Arbeit haben. Arbeitslosigkeit gilt noch immer als eine Art persönliches Versagen, dabei ist sie längst ein normaler Effekt einer dynamischen Arbeitswelt. Ungeachtet dessen ist es
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