Arbeit - Leben - Glueck
Schattenwirtschaft. Von ihr ist jedoch erst im letzten Kapitel die Rede. Zuvor geht es im Kapitel »Fehlermeldung II« weiter um die reguläre Arbeitswelt.
|200| Fehlermeldung II
Was sind Fehler? Gibt es die überhaupt? Schließlich ist doch alles relativ. Selbst der größte Irrtum kann einen Sinn haben, und wer weiß schon genau, was richtig und falsch ist? »Ich habe einen Fehler gemacht« – das klingt altmodisch in einer Zeit, in der wir dem Schwarz-Weiß-Denken skeptisch gegenüberstehen. Andererseits brauchen wir oft einen klaren Wertstandpunkt.
Eine Zwickmühle also. Die meisten Sachverhalte sind sehr komplex und wir hüten uns, voreilige Schlüsse zu ziehen. Andererseits ist doch ganz offensichtlich, dass nicht alles so läuft, wie es laufen sollte. »Shit happens« – so bringt es Tom Hanks in dem Film
Forrest Gump
auf den Punkt. Dauernd passieren Fehler und nur ein Dummkopf würde das abstreiten und behaupten, alles wäre relativ.
In »Fehlermeldung I« ging es um Startfehler. Das waren Fehler im überschaubaren Bereich des eigenen Lebens, die man allein macht und allein ausbaden muss. In »Fehlermeldung II« wird die Sache komplizierter, denn jetzt geht es um Fehler in der Arbeitswelt. Dort sagen einem ständig alle möglichen Leute, was richtig und falsch ist: der Chef, die Vorgesetzten, die Kollegen oder Außenstehende, die das Ganze von ferne betrachten. Schon aufgrund dieser Vielstimmigkeit sind in der Arbeitswelt tatsächlich viele Fehler relativ. Auch ist der Umgang mit Fehlern nicht einheitlich geregelt. In jeder Arbeitswelt treffen wir auf eine andere Fehlerkultur.
Die Auswirkungen, die Fehler haben können, sind allerdings weniger differenziert: Abmahnung, Verweis, Kündigung, Suspendierung, Degradierung und schlechte Arbeitszeugnisse markieren das Ende von Fehlergeschichten, deren freundliche Beilegung nicht möglich war.
|201| Arbeitswelt und Fehler
Wer zum ersten Mal arbeiten geht, ist oft kaum auf seinen neuen Lebensraum vorbereitet. Nur eines spürt er vom ersten Moment an: Es weht plötzlich ein schärferer Wind, es herrscht ein raueres Klima, der Ernst des Lebens hat begonnen – das sind nur ein paar Umschreibungen dafür, dass es in der Arbeitswelt strenger zugeht als an Schule und Universität. Wir müssen uns mehr anstrengen, dafür gibt es weniger Ferien. Hitzefrei ist Geschichte und wir können nicht einfach mal in den Biergarten oder ins Schwimmbad gehen, wenn draußen so schön die Sonne scheint. In der Arbeitswelt stehen wir immer auf dem Prüfstand. Jeden Tag müssen wir beweisen, dass wir das Geld, das wir verdienen, auch wert sind. Und wenn wir Fehler machen, hat das meist Folgen.
Fehler sind jedoch gerade in der Arbeitswelt ein Thema voller Widersprüche. Nirgendwo sonst müssen wir uns im besten Licht zeigen und nach außen hin so tun, als wären wir praktisch fehlerfrei. Makellose Zeugnisse und Vorstellungsgespräche, in denen wir unsere Fähigkeiten anpreisen, verstärken diesen Eindruck. Gleichzeitig wissen aber alle Beteiligten, dass das gar nicht stimmen kann. »Nobody is perfect«, sagen die Amerikaner, »Irren ist menschlich« heißt es bei uns. Fehler sind unvermeidlich, und nicht nur wir selbst, sondern alle machen welche.
Nicht jeder, der einen Fehler gemacht hat, muss auch dafür geradestehen. Dafür gibt es viele Gründe: Fehler bleiben unbemerkt oder werden nicht als solche erkannt. Fehler werden erfolgreich vertuscht oder kleingeredet. Fehler werden nicht ernst genommen oder nicht auf ihre Urheber zurückgeführt. Oft sind alle möglichen Instanzen daran beteiligt und oft ist es buchstäblich überhaupt niemand gewesen: Alle |202| haben alles richtig gemacht, aber trotzdem ist das Ergebnis unbefriedigend.
Dass nicht alle Fehler unbedingt auffallen müssen oder abgestraft werden, klingt zunächst, als ob es auch in der Arbeitswelt so etwas wie Schonung und Nachsicht gäbe: Wir bauen Mist, aber die Sache kommt nicht heraus und wir lassen das Ganze auf sich beruhen. Doch im Grunde wollen wir das gar nicht. Angenommen, das Leben wäre ein Film: Welche Rolle würde einer spielen, der sich seinen Fehlern nicht stellt, sondern sie vertuscht und sich dann davonschleicht? Er wäre ein unsympathischer, schmieriger Versagertyp, mit dem niemand etwas zu tun haben will. Der Held dagegen macht seine Fehler, aber er läuft nicht vor ihnen weg, sondern meistert die Sache und steht am Schluss trotz allem gut da. Auch im richtigen Leben wollen die
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