Arbeit - Leben - Glueck
Innenperspektive, aber es gilt auch für jedes Kollektiv gesondert. Überall herrschen etwas andere Auffassungen darüber, was ein Fehler ist und was nicht. Jede Arbeitswelt hat ihre eigene Fehlerkultur.
Ein Fehler passiert nicht nur, weil ein Einzelner etwas falsch macht, sondern weil komplexe Arbeitsprozesse, an denen viele Mitarbeiter beteiligt sind, nicht gut funktionieren. |205| Etwas verbessern zu wollen bedeutet deshalb oft, das Ganze in Frage zu stellen und einer Prüfung zu unterziehen.
Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer definiert im Zweifelsfall der Arbeitgeber, was ein Fehler ist und was nicht. Wären die Arbeitnehmer sich selbst überlassen, würden sie vielleicht vieles ganz anders machen, doch nur einer hat das letzte Wort. Am Ende kann die Entlassung einzelner Arbeitnehmer stehen, auch wenn der Fehler damit noch lange nicht aus der Welt sein muss.
Fehlerkultur
Wer beim Arbeiten einen Fehler macht, bekommt nicht immer, aber meistens Schwierigkeiten: Gespräche mit Vorgesetzten, Ärger mit Kollegen, vielleicht eine schriftliche Ermahnung, im schlimmsten Fall die Kündigung. Was aber ein Fehler ist und was nicht, lässt sich nur zum Teil verallgemeinern. Es gibt aber ein paar Grundregeln, die überall gelten: So darf man zum Beispiel seine Kollegen nicht verprügeln, nicht jeden Tag zu spät kommen, nicht stundenlang privat telefonieren, nicht betrunken sein, nicht zu Krieg und Gewalt aufrufen, den Holocaust nicht leugnen und nicht in der Badehose zur Arbeit kommen. Über all diese Grundregeln informiert das Arbeitsrecht, für Beamte gilt das Disziplinarrecht. Darüber hinaus gilt für alle Arbeitnehmer, was sich aus den im Kapitel »Arbeitswelten« beschriebenen Soft skills ableiten lässt.
Zusätzlich dazu herrschen aber an jedem Arbeitsplatz besondere Regeln, die nur dort gelten und nirgendwo anders. So bestimmt zum Beispiel die Geschäftsleitung, was die Ziele eines Unternehmens sind und wie sie erreicht werden sollen. |206| Größere Unternehmen haben eine Betriebsverfassung, in der das festgehalten ist. Kleinere Firmen kommen auch ohne eine solche Verfassung aus, doch Unternehmensziele haben sie natürlich auch. Die Ziele von Behörden orientieren sich am Gemeinwohl und an der Politik der jeweils amtierenden Bundesregierung, die Ziele von Interessenverbänden ergeben sich aus der Sache, für die sie eintreten. Fehler in der Arbeitswelt bedeuten oft, dass diese Ziele missachtet oder nicht erreicht werden. Es kann aber auch das Gegenteil stimmen: Jemand nimmt die Ziele zu genau und stört damit eingespielte Systeme der Korruption, des Schlendrians oder der Unfähigkeit.
Der sichtbarste Ausdruck dafür, dass in der Arbeitswelt Fehler erwartet werden und gleichzeitig nicht erwünscht sind, ist die so genannte Probezeit in Wirtschaftsunternehmen. Üblicherweise dauert es sechs Monate, bevor der volle Kündigungsschutz eintritt und aus einem vorläufigen Arbeitsverhältnis ein festes wird. Bei Behörden gelten andere Regeln und sie haben auch eine andere Fehlerkultur. Allein der jährliche Bericht des Bundes der Steuerzahler über die Verschwendung von Steuergeldern ist eine Fundgrube für Fehler aus deutschen Amtsstuben. Da jedoch die meisten Arbeitnehmer in Wirtschaftsunternehmen arbeiten, handelt der Abschnitt »Fehlerkultur« ausschließlich von der Fehlerkultur in der Wirtschaft.
In der Probezeit soll getestet werden, ob ein Mitarbeiter hält, was er bei der Bewerbung versprochen hat. Trotzdem wird noch nicht alles, was er sagt und tut, auf die Goldwaage gelegt. Alle Beteiligten wissen: Er ist neu, er muss sich erst auf sein neues Umfeld einstellen. So hat die Probezeit zwei Gesichter: Sie ist Testphase und Schonfrist zugleich. Und noch eine Zweiseitigkeit ist zu beobachten: Man macht weniger Fehler, weil man sich größte Mühe gibt, und man macht mehr Fehler, weil man die Spielregeln noch nicht kennt.
|207| In der Probezeit lernt man die Fehlerkultur einer Firma schon ganz gut kennen. Es hilft, sich über Folgendes klar zu werden:
Wird offen über Fehler gesprochen? Oder nur dann, wenn derjenige, der einen Fehler gemacht hat, nicht im Raum ist? Welcher Ton wird angeschlagen?
Versuchen Mitarbeiter, mich auf ihre Seite zu ziehen und andere als unfähig abzustempeln?
Habe ich einen hilfsbereiten und vertrauenswürdigen Ansprechpartner?
Werde ich eingearbeitet oder bleibe ich mir selbst überlassen?
Die erste und beste Möglichkeit, mit Fehlern umzugehen, ist das Gespräch. Das
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