Arbeit - Leben - Glueck
steht in jedem Ratgeber und das sagen alle, deren Beruf es ist, Konflikte am Arbeitsplatz zu schlichten. Doch gerade das Gespräch über Fehler erweist sich in der Praxis als Problem. Ist ein Fehler passiert, entsteht zwar ein Klima des Unbehagens und der Verärgerung, aber keiner weiß richtig, wie er sich verhalten soll. Das ferne Ziel ist die konstruktive Kritik und die Kunst, sich Kritik mit offenen Ohren anzuhören.
Kritik ist konstruktiv, wenn sie den Kritisierten anspornt, es erneut zu versuchen und es zukünftig besser zu machen. Wenn Kritik nur dazu führt, dass der Kritisierte hinterher völlig entmutigt ist, dann bewirkt sie das Gegenteil von dem, was sie bewirken soll: Alles wird noch schlimmer. Es liegt jedoch nicht nur an der Kritik, ob sie bei jemandem ankommt und sich positiv auswirkt. Selbst die konstruktivste Kritik wird nichts Gutes bewirken, wenn der Kritisierte sie nicht hören will und die beleidigte Leberwurst spielt. Die Kunst, sich Kritik mit offenen Ohren anzuhören, gehört zu den großen Herausforderungen der Arbeitswelt und auch des Privatlebens. Eitelkeit, Selbstüberschätzung, Trotz, mangelnder |208| Respekt vor dem Gegenüber und fehlender Sportsgeist stehen im Weg.
Kritik ist oft unsachlich und wird von Emotionen begleitet: Wutausbrüche, Beleidigungen, Herzklopfen, Magenkrämpfe, Schweißausbrüche, Angriff und Verteidigung. Solche Emotionen verhindern eine konstruktive Atmosphäre und begünstigen die Flucht vor dem Fehler. Keiner will schuld sein, Fehler werden heruntergespielt, ein Sündenbock wird gesucht. Nur das Wichtigste passiert nicht: eine Verbesserung zu erzielen. Das folgende Beispiel zeigt, wie ein Fehler sich langsam aufbaut. Die daran anschließenden Aufgaben zielen darauf ab, die Situation aus unterschiedlichen Perspektiven heraus zu interpretieren.
Tom ist technischer Zeichner in einer kleinen Zulieferfirma, die Plastikteile für die Autoindustrie herstellt. Es ist Freitagnachmittag. Gerade hat Tom stellvertretend für seinen Kollegen, der plötzlich krank geworden ist, eine dringend benötigte Zeichnung fertig gestellt und bei seinem Abteilungsleiter abgeliefert. Dieser soll noch einen letzten Blick darauf werfen, bevor die Zeichnung in die Produktionsabteilung geht. Tom ist froh, dass er doch noch zeitig Feierabend machen kann, denn er plant einen Wochenendausflug mit seiner Familie. Auch sein Vorgesetzter hat nichts dagegen, ausnahmsweise einmal früher nach Hause zu gehen, denn gerade in der letzten Zeit hat er einfach zu viel gearbeitet. Er schaut sich die Zeichnung, die Tom ihm hingelegt hat, kurz an und gibt sie an die Produktionsabteilung weiter, bevor auch er die Firma verlässt.
In der Produktionsabteilung wartet man schon auf Toms Zeichnung. Ein dringender Auftrag, ein wichtiger Kunde, Wochenendarbeit ist angesagt. Eilig wird anhand der Zeichnung eine Form gebaut, mit der das Plastikteil hergestellt werden soll. Als der zuständige Facharbeiter eine |209| Unstimmigkeit in Toms Zeichnung entdeckt, geht er damit zu seinem Vorgesetzten, dem Leiter der Produktion. Der ruft in der Konstruktionsabteilung an. Da dort jedoch keiner mehr ans Telefon geht, muss der Produktionsleiter überlegen, wie die Zeichnung zu verstehen ist. Er zögert einen Moment, weil er damit seine Kompetenzen übertritt, dann trifft er seine Entscheidung, um doch noch den gesetzten Termin einhalten zu können.
Montagmorgen sind die ersten 5000 Teile fertig. Sie sehen gut aus, alles scheint in Ordnung. Auch in der Konstruktionsabteilung ist man zufrieden. Dass es eine Unstimmigkeit gegeben hat, verschweigt der Produktionsleiter, denn da niemand Einwände erhebt, scheint er seine Sache ja wohl richtig gemacht zu haben. Die Teile werden verpackt und zum Kunden geschickt. Gerade noch rechtzeitig, denn der Kunde braucht genau diese Teile für den nächsten Arbeitsschritt.
Auch für Tom ist die Sache erledigt, bis am Mittwoch bei seinem Chef das Telefon klingelt. Etwas Schlimmeres hätte nicht passieren können: Das Teil passt nicht. Die Lieferung muss zurückgenommen werden und – was noch schrecklicher ist – bei dem Autohersteller ruht jetzt die Arbeit, weil man dort ohne das Teil nicht weitermachen kann. Für die entstehenden Kosten muss Toms Firma aufkommen und zusätzlich befürchten, den Auftrag zu verlieren.
Es kommt zu einem Gespräch zwischen Tom, dem Leiter der Konstruktionsabteilung, dem Produktionsleiter und dem Chef. Welchen Anteil hat jeder von ihnen an dem
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