Arbeit - Leben - Glueck
für jede Aufgabe die besten Mitarbeiter zu finden und sie zu führen, ohne dabei allzu unangenehm aufzufallen. Bei diesen hohen Anforderungen sollte man eigentlich denken, dass ein Chef nur werden darf, wer sich mit der Kommunikation besonders gut auskennt, doch das Gegenteil ist der Fall. Die meisten Chefs sind zwar Fachleute, aber nur auf ihren jeweiligen Wissensgebieten: Sie können Raumschiffe bauen, sie kennen sich mit Bakterien aus oder haben das Nistverhalten des Wellenflughuhns erforscht. Von Kommunikation jedoch verstehen sie manchmal wenig bis überhaupt nichts.
Man kann sich zwar angenehm überraschen lassen und doch mal einen Chef haben, der ein guter Kommunikator ist, aber selbstverständlich ausgehen sollte man davon nicht. Und da Chef sein nach wie vor etwas mit Macht zu tun hat und die Arbeitswelt so aufgebaut ist, dass er das letzte Wort haben wird, kommt es für seine Mitarbeiter darauf an, ihn zu verstehen,
egal, wie unklar er sich ausdrückt
. Was der Chef meint, wenn er sagt, was er denkt, ist also auch dann von größter Wichtigkeit, wenn ihn kein Mensch versteht.
Der erfahrene Mitarbeiter fragt deshalb von sich aus zurück: »Habe ich Sie richtig verstanden, dass wir Folgendes machen sollen . . .«, und dann kommt die Wiederholung. Manchmal hat man vielleicht das Gefühl, sich mit einer solchen Nachfrage als Ahnungsloser bloßzustellen, aber in den meisten Fällen ist der Chef ganz erleichtert, wenn er auf diese Weise erfährt, ob seine Botschaft angekommen ist. Es ist zwar seine Aufgabe, eine klare Sprache zu sprechen und seinen Mitarbeitern deutlich zu machen, was er von ihnen will. Aber wenn er das nicht kann, muss man halt nachhaken. Das fällt manchmal schwer, aber es ist eine gute Übung und stärkt die Persönlichkeit. Und niemand kann etwas dagegen haben. Am allerwenigsten der Chef selbst.
|193| Der eigene Laden. Wie Angestellte und Kundschaft das Weltbild verändern
Im eigenen Laden ist man selbst der Chef. Alles, was man davor – als Student, als Aushilfe oder als Angestellter – je über Chefs gedacht hat, wird ungültig. Man wechselt die Perspektive und oft wechselt man auch die Seite und die innere Einstellung. Auf einmal teilt sich die Arbeitswelt in zwei Gruppen: Leute, die für einen arbeiten, und Leute, die brauchen können, was man so macht. Das sind die Kunden – ob sie nun Klienten, Mitglieder, Patienten oder Auftraggeber heißen. Die Kundschaft entscheidet darüber, ob der eigene Laden sich auf dem Markt oder in der Öffentlichkeit durchsetzen kann.
Doch zurück zu den Angestellten: Was will man als Chef von ihnen? Genau: Sie sollen gut arbeiten, sich vertragen und dem Laden keine Schande machen. Ärger und Konflikte sollen möglichst nicht vorkommen, denn das kostet nur Zeit. Mehr Angestellte als unbedingt nötig stellt man nicht ein, denn man hat schließlich nichts zu verschenken und eine beschützende Werkstatt ist man auch nicht. Jeder Chef will, dass die Angestellten ihr Geld wert sind und dass sie so viel und so rasch wie möglich arbeiten.
Als man noch kein Chef war, nannte man das Ausbeutung. Jetzt dagegen findet man es korrekt, von seinen Leuten etwas zu erwarten. Fleiß, Engagement, Motivation: je mehr davon, desto besser. Und man findet es gar nicht witzig, wenn die Angestellten während der Arbeitszeit dauernd im Internet surfen, Schwätzchen halten oder jeden Tag die Mittagspause überziehen, weil sie vor Monaten irgendwann mal ein paar Überstunden gemacht haben. Als Chef denkt man gelegentlich darüber nach, die elektronische Zeiterfassung einzuführen, andererseits kann das ein Eigentor sein, weil |194| die Überstunden dann amtlich sind und abgefeiert oder gar bezahlt werden müssen.
Die Kunden, also die Klienten, Mitglieder, Patienten oder Auftraggeber: Was wollen sie? Was könnten sie wollen? Wie kann man sie noch fester an sich binden? Was muss man alles tun, damit man sie auch ja nicht verliert? Der Kunde ist König –
ist
man selbst Kunde, drückt dieser Spruch nur aus, dass man zuvorkommend behandelt wird oder im Restaurant einen schönen Platz bekommt.
Hat
man Kunden, erkennt man erst ihre wahre Macht. Sie besteht darin, dass sie nicht mehr kommen. Dagegen sind alle anderen Probleme zweitrangig. Ein Schatten hängt über jeder Firma, jeder Partei oder sonst einer Gruppierung: keine Kunden, kein Geschäft, keine Bedeutung, keine Existenz.
Unternehmen und Institutionen können so groß sein, dass es kaum wahrscheinlich
Weitere Kostenlose Bücher