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Arbeit und Struktur - Der Blog

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Titel: Arbeit und Struktur - Der Blog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Herrndorf
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schreiben. Alles sinnlos.

    Die Fahnen sind im Haus. Lese sie maximal unbegeistert. Wobei das weder mit dem Roman noch mit meinem Zustand zu tun haben muß, das war beim Fahnenkorrigieren immer so.

    Und auch das ist wie immer: Mitten in der Nacht springe ich aus dem Bett und reiße Torberg, Hesse, Strunk, Bräuer, Kracht, Knowles aus dem Regal, um zu vergleichen: Warum funktioniert das bei denen, warum nicht bei mir?

    Erinnere mich, wie ich im März in den ersten warmen Nächten am offenen Fenster saß und arbeitete und dachte, es ist eine Sache auf Leben und Tod. Und das war es vielleicht auch. Aber es hat sich im Roman nicht abgebildet. Stilistisch fragwürdige Pennälerprosa mit Allerweltseinfällen, als Ganzes strukturlos. Auch die letzte Szene – wen interessiert’s?

    Was mich dagegen sofort wieder reißt: Unterm Rad.

    26.7. 2010 23:00

    Zum ersten Mal wieder Sneak-Preview. Ohne das Biertrinken hinterher nicht so toll. Film auch Mist: Renn, wenn du kannst, nach dreißig Minuten rausgegangen.

    Wenn ich ausgehe, fühlt sich das Leben an wie früher. Ich werde gedankenlos, ich verplempere Zeit.

    27.7. 2010 20:38

    Heute morgen mit Saemann letzte Korrekturen am Telefon. Zuvor schon bei der Presseabteilung Lesungen, Reisen, Interviews und Porträts abgelehnt. Vielleicht sollte ich das noch mal überdenken. Das Ding wird untergehen wie ein Stein, und dann bin ich auch unglücklich die nächsten Wochen. Andererseits habe ich beim Van-Allen-Gürtel die Pressesache komplett mitgemacht, und das Ergebnis waren keine zweitausend trotz guter Kritiken.

    Fast den ganzen Tag nichts gemacht, ohne in Panik zu geraten. Im Nachmittagsschlaf verfolgt mich der Krimi. Immer an derselben Stelle will ich einen Satz einbauen. Ich wache auf, habe keine Kraft, aufzustehen und zum Rechner zu gehen, schlafe weiter und will im Traum wieder den Satz einbauen: No hay banda.

    29.7. 2010 5:33

    Herrliches Erwachen in C.s Wohnung, den ganzen Morgen kommt die Meise durchs offene Fenster herein, fliegt über mir rum und kreischt. Ich kann mir nicht erklären, was sie will, ihr Futternapf auf der Fensterbank ist voll.

    Der Himmel blau, die Bäume grün, der Wind rauscht in den Blättern: ein bißchen wie damals das Erwachen in der Hütte in Burgthann. Ines wohnte mitten im Wald, unten am Garten vorbei floß ein Bächlein, das wir morgens im seichten, sandigen Flußbett kilometerweit stromauf wateten. Ines voran, mit dieser Naturkindhaftigkeit, kletterte barfuß genauso schnell über die Katarakte wie ich. Einmal schoß jemand mit dem Luftgewehr über unsere Köpfe hinweg.

    Zum Einschlafen las sie mir Musils Fliegenpapier, Hellhörigkeit, die Hasenkatastrophe usw. vor. Wie Bruder und Schwester haben wir dagelegen, geschlafen haben wir nie miteinander. Sie hatte einen Freund und ich eine Freundin. Der Hauptfigur in den Plüschgewittern hat sie den Namen gegeben, im Jugendroman taucht sie als Isa auf. Eines Tages verschwand sie aus Nürnberg, ohne eine Adresse zu hinterlassen. Es waren nur ein paar Tage, die ich sie kannte. Ich glaube, die glücklichsten in meinem Leben. In ihrer Hütte stand ein überdimensioniertes Funkgerät, seinerzeit Autotelefon genannt.

    29.7. 2010 12:20

    Halte vor einer Buchhandlung und überlege, mir ein neues Buch zu kaufen. Tue es dann doch nicht.

    “Nur Gawrila Ardalionowitsch hat freien Zutritt.” Mit siebzehn zuerst gelesen, läßt der Name die Physiognomie einer unbedeutenden Nebenfigur sofort wiederauferstehen. Ich meine, einen grauen Anzug zu sehen und ein Beamtengesicht. Rätselhaftes Gehirn. Heute vormittag stand ich an der Siegessäule und wußte, obgleich ich die Sonne im Süden sah, nicht, in welche Richtung ich nach Hause fahren mußte. Irgendwas haben sie mir rausoperiert. Aber Gawrila Ardalionowitsch ist immer noch da. War immer da. Hat sich ein Vierteljahrhundert irgendwo verborgen und taucht nun wieder auf mit seinem Beamtengesicht.

    Im selben Kapitel auch Myschkins Gedanken zur Todesstrafe, die ich als Jugendlicher mit starker Bewegung las. Wieviel angenehmer es ist, ermordet zu werden als hingerichtet, wo es keine Hoffnung gibt. Und wie sehnsüchtig ich mir damals wünschte, mein Leben möge auch einmal aus den eingefahrenen, bürgerlichen Gleisen laufen.

    30.7. 2010 23:11

    Werde wieder etwas besser beim Fußball. Ich bin fitter, das Hirn baut Subroutinen um den Sichtfeldausfall rum. Leider haben die Leibchen genau die Farbe, die ich mit dem einen Auge nicht mehr sehen kann.

    Die

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