Arbeit und Struktur - Der Blog
9:40
Die betonartige Gleichgültigkeit, die sich um die letzten MRTs legte, ist mehr oder weniger ausgeblieben. Heiter, gelassen, gestern noch den ganzen Tag gearbeitet. Aber das Warten auf den Befund jetzt anstrengend. Der Wüstenroman biegt langsam auf die Zielgerade, aber die Zielgerade sind noch fast 300.000 Zeichen. Kann man vermutlich beliebig kürzen, da es nur noch darum geht, den Helden aus dem Buch zu schreiben.
Bilanz eines Jahres: Hirn-OP, zweimal Klapse, Strahlen, Temodal. 1 3/4 Romane, erster großer Urlaub, viele Freunde, viel geschwommen, kaum gelesen. Ein Jahr in der Hölle, aber auch ein tolles Jahr. Im Schnitt kaum glücklicher oder unglücklicher als vor der Diagnose, nur die Ausschläge nach beiden Seiten größer.
Insgesamt vielleicht sogar ein bißchen glücklicher als früher, weil ich so lebe, wie ich immer hätte leben sollen. Und es nie getan habe, außer vielleicht als Kind.
29.3. 2011 15:52
Befund nicht ganz klar. Gliöse Veränderungen, wie beim letzten Mal auch. Dr. Vier vermutet Narben, absterbendes Gewebe, auch weil der Patient so überaus stabil und beschwerdefrei wirkt, aber es könnte auch irgendwas aus einer Mischform Übriggebliebenes sein, Astrozytom zum Beispiel. Nächste Woche PET-CT.
29.3. 2011 23:00
Die Unsicherheit und die Beschäftigung mit dem, was kommen wird, führt, wie auch schon zuvor, zu leichter Hypomanie. Gedanken schnell und leicht, auch das Arbeiten geht wieder leichter. Irgendwas scheint da bei mir falsch verschaltet zu sein.
Mit dem Rad an der Spree entlang nach Hause. Sitze lächelnd auf den Bänken an der Kaiserin-Augusta-Allee, wo man über den Fluß schauen kann auf Industriegebäude in der fast schon sommerlichen Nachtluft. Das Dauerlächeln habe ich mir damals während der Strahlentherapie angewöhnt, um den Körper zu veranlassen, das zu Mimik und Muskeln entsprechende Gefühl zur Verfügung zu stellen. Was er auch tut.
4.4. 2011 23:40
Auf 3sat eine Serie zu den letzten Dingen, Nahtod-Erfahrungen, Kübler-Ross usw. Ganz interessant, betrifft mich aber nicht. Gerade diesen Nahtod-Erfahrungen haftet etwas Ekliges an. Ich weiß selbst, daß ich mich mit positivem Denken, mit Sport und Lächeln und Arbeiten über etwas Bodenloses hinwegtäusche, aber wenn ich auf den letzten Metern noch derart infantil werden sollte zu vergessen, daß es sich um Selbsttäuschung handelt, erschieße man mich bitte.
5.4. 2011 13:30
Fluorethyltyrosin, mit dem das PET-CT gemacht wird, ist ein radioaktiv markiertes Aminosäureanalogon. Deshalb zwei Tage kein Eiweiß und heute gar nichts mehr gegessen. Hauptsächliches Gefühl jetzt: Hunger.
Im Wartezimmer ein Mann mit Boxernase, der seiner Betreuerin erklärt, daß auf seinen Bildern nichts ist. Sie gibt ihm einen Umschlag mit Geld, und er verspricht, alles mit bestem Boxen zurückzuzahlen, er sei gut, er schaffe es. Sie bestätigt es. Im Regal zwei Spiegel-Titel zu Fukushima, ein Buch von Wieland Herzfelde und Gedichte von Georg Herwegh.
Nach einer Stunde Warten ein zweites PET-CT, ein spezieller Bereich soll noch mal genauer untersucht werden. Dann Befund: Nichts. Die roten Punkte, die vor einem Jahr kranzförmig um die Operationsstelle wucherten, sind verschwunden. In der Bäckerei nebenan auf die Donuts geheult.
5.4. 2011 18:36
So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein
Ich will mein Leben tanzen
Ihr Lächeln, das ich nie vergessen werde
Ein Lachen, das nie verging
Die goldene Schaukel im Regenbogen
Wenn sie lachte, hatte ich Hoffnung
Einladung in den Himmel
Flieg mit den Vögeln
Mutti, ich hab’ noch nicht Tschüß gesagt
Arbeit und Struktur
6.4. 2011 9:48
Seit gestern ein six figure author, schreibt Marcus.
Fünfzehn :
6.4. 2011 2:11
Spät in der Nacht noch mal in Abfall für alle rumgelesen, konnte mich nicht losreißen trotz Müdigkeit. Dagegen komme ich mir vor wie eine schwäbische Hausfrau, die Kochrezepte archiviert. Was auch daran liegt, daß ich schon lange keinen Input mehr habe. Bei Filmen hab ich die Orientierung völlig verloren, ich les nichts mehr, und alles, was kleiner ist als explodierende Atomkraftwerke, unterläuft meinen Radar. Was die Araber da machen zum Beispiel. Von sowas wie deutscher Gegenwartsliteratur ganz abgesehen. Ab und zu treff ich noch ein paar Leute, die Gedanken in mich einfüllen, aber viel zu selten.
7.4. 2011 17:02
Und jetzt melden sie noch die Entdeckung einer fünften Grundkraft der Physik. Wahnsinn. Nicht sicher.
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