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Arbeit und Struktur - Der Blog

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Titel: Arbeit und Struktur - Der Blog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Herrndorf
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Küstenstraße nach Agadir, kurzer Halt, Gruppenfoto und Abschied vom Atlantik.

    1.5. 2012 22:30

    Zoll- und Paßkontrolle Schönefeld. Menschenmassen, lange Schlangen, die Wände schwanken auf mich zu. Per hält mich fest, sonst fiele ich. Körper, Seele, weiß nicht. Sollen wir einen Arzt rufen? Die Paßbeamtin. – Nein, nein, nur ein epileptischer Anfall.

    3.5. 2012 19:12

    Traum: An meiner Panzerung erkenne ich, daß ich ein Soldat bin. Ich bin Hannibal. Ich habe ein Schwert, einen Schild und eine Waffe, deren Sinn sich mir nicht auf Anhieb erschließt, ein großer, gepunzter Messingteller, auf dem eine an einer goldenen Schnur befestigte Quaste sanft herumgeschleudert wird, um ein leises Klingeln zu erzeugen. Ich komme zu dem Ergebnis, daß diese Waffe einen aus dem toten Winkel von links unten gegen mich herauf geführten Angriff meines Gegners verhindern oder frühzeitig anzeigen soll. Mit Schild und Schwert zusammen kann ich den Teller aber nicht bedienen, ich brauchte drei Arme. Hilflos suche ich mein Heil im Angriff und stürze mit allen Waffen schreiend das Treppenhaus hinunter, wohlwissend, daß dies in der Literatur als ungewöhnliche und wenig erfolgversprechende Taktik gilt. Ich hoffe, so wenigstens das Überraschungsmoment auf meiner Seite zu haben. Tatsächlich gelingt es mir, meinen Gegner im Sprung mit meinem Körper umzureißen und ihm mein Schwert, das sich in einen Brieföffner verwandelt hat, durch die hölzerne Treppenstufe (Berliner Mietshaus) von unten in den Hals zu stoßen. Mit einem kraftvollen Ruck könnte ich nun Holz und Hals durchtrennen. Nennen wir es ein Patt, schlage ich vor, und Publius Cornelius Scipio Africanus ist einverstanden, obwohl er so gut wie ich weiß, daß dafür die Geschichte geändert werden müßte, die doch längst vergangen ist, was so wenig regelkonform ist wie überhaupt ein Unentschieden im Kampf. Laßt mich leben, sage ich, und wir lassen Rom in Frieden. Mit der Hand über die Ähren eines Weizenfeldes streichend gehe ich davon, dazu erklingt die Schlußmusik aus Gladiator, damit es auch der letzte begreift. Aber ich habe nichts dagegen. Es gefällt mir sogar. Es ist schöne Musik.

    5.5. 2012 17:24

    Leukenzephalopathie noch mal gegoogelt, Tag versaut, arbeitsunfähig. Zum ersten Mal die neue Wohnung betreten. Larry, der den Umzug koordiniert, erklärt, daß man von der Dachterrasse aus die ganze Stadt beherrschen könne, und wir überlegen, welche Ziele man mit einer RPG-7 als erstes abräumen würde. Der Fernsehturm, der sich hinter einem Schornstein versteckt, müßte freigespielt werden. Larry nimmt den großen grauen Kasten (“weil er so groß ist”), ich den Schinkeldom.

    6.5. 2012 13:30

    “Während ich in den vergangenen Wochen die zehn meistverkauften Romane der Deutschen las”, erklärt Denis Scheck mit immer wieder fröhlich auf und ab segelnden Augenbrauen, deren Bewegungen die Kamera mit waagerechtem Geschwenke anhaltend zu kontrastieren oder zu negieren versucht – und kommt dann übergangslos auf Grass’ neuestes Israelgenörgel zu sprechen, das von aller Welt falsch gelesen worden sei. Die Welt hat schlecht, die Welt hat miserabel gelesen, er habe den Eindruck, Zeuge der schwärzesten Stunde der deutschen Literaturkritik während seiner bisherigen Lebenszeit geworden zu sein. Wörtlich so.

    Dann bespricht er dreizehn Bücher, von denen er die Hälfte über eine Rollenbahn in eine Kehrrichttonne stößt, Gesamtseitenzahl der besprochenen Romane: 6039.

    7.5. 2012 11:40

    Beim Blick auf die Analoguhr scheint der Sekundenzeiger stillzustehen, geht zwei, drei Schritte zurück und wandert weiter.

    17.5. 2012 19:00

    Im Käfig am Sparrplatz wird ein Turnier gespielt, einziger Deutscher auf dem Platz ist der Schiedsrichter. Die Kleinsten sind vielleicht zehn oder elf, die Mannschaften heißen Afghanistan, FC Bayern, La Familia. Und sehen auch so aus. Wie es sich gehört, wird fast nur mit der Sohle gespielt, kombinieren geht aber auch sehr gut. Und unglaubliches Tempo. Ich überlege, gegen welche Altersklasse ich mit meiner Mannschaft noch antreten könnte. In der Bergstraße haben wir über die Jahre noch alle zufällig den Platz blockierenden Jugendlichen mit unserem Altherrenfußball auseinandergenommen, hier hätte ich schon bei den Zwölfjährigen Bedenken. Wie die rennen. Diese Vitalität. Und wie jung man sein kann.

    “Und wie süß die alle sind!” sagt C. “Kaum zu glauben, daß sie in ein paar Jahren ihre Schwestern

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