Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
des Geländes, Algorithmen beobachten die Videoströme und schalten automatisch die Kameras auf den Schirm, die gerade eine Bewegung erfassen. Die wesentliche Aufgabe der Anlagenfahrer ist es, auf Anforderung der Netzzentrale, je nach momentanem Energiebedarf die Leistung der Generatoren zu regeln, indem sie etwas mehr oder weniger Brennstoffe zu den Turbinen leiten.
Oberflächlich betrachtet, macht ihr Arbeitsplatz einen entspannten, geradezu luxuriösen Eindruck. In großen, bequemen Sesseln sitzen sie vor den Monitorbänken und haben ein Auge darauf, ob irgendwo in der komplexen Grafik auf den Anzeigen ein Symbol zu blinken anfängt, was einen Fehler oder ein Problem symbolisiert. Denkt man darüber nach, lastet auf ihnen jedoch eine erhebliche Verantwortung: Wird das Kraftwerk fehlgesteuert, sind etwa die hausgroßen Generatoren und Turbinen, die pro Stück Dutzende Millionen Euro kosten, nicht schnell genug auf der richtigen Drehzahl, kann es zu erheblichen Problemen im Stromnetz kommen, die im Extremfall bis zu einem gebietsweisen Stromausfall reichen. Natürlich ist auch das Vermeiden von Unfällen die Aufgabe der Anlagenfahrer. Eine grobe Fehlsteuerung oder auch ein mechanischer Defekt kann durchaus zur Katastrophe führen, etwa wenn sich Turbine oder Generator festfressen und das jeweils andere Teil noch weiterdreht. Die entstehenden Kräfte können den viele Tonnen schweren Rotor problemlos einmal quer durch die Halle schleudern – weshalb die Kraftwerker sich bei Explosions- oder Berstgeräuschen schnell auf den Boden werfen und erst dann schauen, was eigentlich defekt ist.
Den Strombedarf der Millionen von Kunden in einer Großstadt wie Berlin richtig einzuschätzen ist keine triviale Aufgabe. Viele Dutzend veränderliche Größen gilt es zu berücksichtigen: von der Wettervorhersage über den Spielplan großer Fußballereignisse, die Lage von Schulferien und Feiertagen bis zu den täglichen Rhythmen der Gewohnheiten der Städter beim morgendlichen Einschalten von Licht und Kaffeemaschine oder dem zusätzlichen Bedarf der riesigen Pumpen der Wasserwerke, die den Wasserdruck für die Millionen von Toilettenspülungen aufrechterhalten müssen, wenn beim Fußball gerade Halbzeit ist.
All diese Abläufe und die dazugehörigen Parameter für die Steuerung der Kraftwerke sind in detaillierten, mit Algorithmenhilfe erstellten Tagesplänen im Viertelstundentakt für die Kraftwerksfahrer vorgezeichnet. Wenn sich Ereignisse ergeben, die plötzliche Korrekturen und Abweichungen vom Plan notwendig machen, klingelt aber im Leitstand noch das Telefon.
Der mögliche Grad an Automatisierung und Telepräsenz geht jedoch über das hinaus, was im bereits enorm fortgeschrittenen Heizkraftwerk in Berlin-Mitte zu beobachten ist. Die Technik dort ist der Stand vom Ende der neunziger Jahre, als das Kraftwerk errichtet wurde. Doch selbst das wenige Personal im Leitstand wäre mit der heute üblichen Automatisierungstechnik überflüssig zu machen. In verschiedenen Weltgegenden wurden schon Gaskraftwerke errichtet, die vollkommen automatisch funktionieren. Ihre Leistung wird aus der Ferne vom zentralen Netzmanagement gesteuert, das die Leistung im gesamten Stromnetz eines Anbieters kontrolliert. Menschen sind lediglich für Wartung und Reparatur noch ab und an vor Ort nötig.
Die Arbeit, die früher von sechzig Anlagenfahrern pro Schicht ausgeführt wurde, das gefühlvolle Anfahren und Regeln der Tur binen und Generatoren, die Einhaltung komplexer Schaltprozesse und das Überwachen der richtigen Frequenz im Stromnetz kann heute von Software und Computern erledigt werden. Die Möglichkeit der vollständigen Kontrolle aus der Ferne auch bei sehr komplexen technischen Anlagen, die tagein, tagaus im wesentlichen auf die gleiche Weise produzieren, hat ein Niveau erreicht, das die Menschen nur noch für übergeordnete Entscheidungen und die Bearbeitung von Unvorhersehbarem nötig macht.
Mit dem Fortschreiten der Entwicklung in der Robotik und bei den Technologien für Telepräsenz bleiben in immer mehr Arbeitsfeldern nur noch zwei wesentliche Tätigkeitsbereiche: Management und Verwaltung sowie Kontrolle aus der Ferne zuzüglich Wartung und Fehlerbehebung vor Ort. Sobald es jedoch mobile Roboter gibt, die auch aufwendige mechanische Aufgaben erledigen können, etwa beim Austausch von Teilen in einer Industrieanlage, werden zumindest Routinereparaturen von kleineren Teilen auch von weit her erledigbar. Die Reparaturroboter
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