Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)
verbleiben dann einfach in der Anlage, bis sie benötigt werden. Bei Bedarf schaltet sich ein qualifizierter Techniker aus der Zentrale auf den Roboter und überwacht und steuert ihn für die Dauer der Arbeiten. Die Methoden, die bei der Steuerung militärischer Drohnen zum Einsatz kommen, halten also auch im zivilen Leben mehr und mehr Einzug. Je mehr Autonomie und eigenständiges Verhalten die Roboter aufweisen, desto seltener muß sich der Mensch zum Eingreifen aufschalten.
Ein Anwendungsfeld, in dem die Telepräsenz schon in nächster Zeit einen großen Aufschwung erleben wird, ist die Telemedizin, nicht im Sinne der Telechirurgie à la DaVinci, sondern in der Patienten- und Altenpflege. Bedeutsamer nicht nur wegen des demographischen Wandels in einigen westlichen Gesellschaften werden solche Telepräsenzsysteme sein, die neben medizinischen auch soziale Bedürfnisse adressieren. Pflegeroboter gehören dazu oder Systeme mit dem Ziel, einsamen Menschen oder Kindern als Interaktionspartner zur Verfügung zu stehen. Sie sollen zum einen selbständig agieren können, aber zum anderen auch als Hand oder Mund von entfernten Personen fungieren. Hier löst sich die klare Trennung auf, die zwischen Telepräsenzsystemen und autonom agierenden Robotern oft noch gezogen werden kann.
Weit mehr als bei den medizinischen Einsatzszenarien oder Robotern in Kraftwerken kommt es hier auf psychologische Faktoren an, die durch die Maschinen ausgelöst werden: Wie wirkt eine solche Maschine auf den Menschen, dem sie helfen soll? Erscheint sie freundlich, vielleicht gar charmant, und wie kann man eine solche freundliche Erscheinung als Roboterplaner entwerfen? Fühlt man sich wohl, wenn ein solcher interaktionsfähiger Roboter permanent im eigenen Haus anwesend ist?
All diese Fragen und viele mehr sind ganz andere Akzeptanzfragen, als sie für frühere und auch heutige Industrieroboter gestellt wurden, aber denen nicht ganz unähnlich, die Roboterentwickler für solche Systeme beantworten müssen, die direkt mit Menschen zusammenarbeiten. Geht es um Fragen der Patientenpflege oder Roboter im häuslichen Einsatz, kommt die Diskussion schnell auf aus rein technischer Sicht nebensächliche Fragen wie die Mimik, die Imitation typisch menschlichen Verhaltens, ganz allgemein auch die Ansehnlichkeit. Auch ob roboterhafte Bewegungen vermieden werden sollen, steht dann zur Disposition.
Schon vor vierzig Jahren, als an die heutigen technischen Möglichkeiten noch nicht zu denken war, wurde diskutiert, ob Menschenähnlichkeit bei Robotern die Akzeptanz erhöhen würde oder eher abschreckend wirkt. Unter den Robotikforschern läuft die Debatte unter dem Stichwort »uncanny valley«. Gemeint ist der Effekt, daß etwa Puppen, deren Gesichter und Körper zu menschenähnlich wirken und sich zu sehr wie Menschen bewegen, gruselig und irgendwie untot wirken, es sei denn, sie sind absolut perfekt in ihrer Nachahmung des Menschen. Das »Tal« bezieht sich auf eine hypothetische Kurve, bei der die Akzeptanz auf der einen und die Menschenähnlichkeit auf der anderen Achse abgetragen ist. In der Mitte, zwischen geringer Menschenähnlichkeit und perfekter Imitation des Menschen, weist die Kurve ein Tal auf – das »uncanny valley«. Der Trend, die uns innewohnende Tendenz zur Anthropomorphisierung unserer Maschinen durch Verwendung menschenähnlicher Formen zu unterstützen, kollidiert mit diesem Effekt. Die derzeitigen humanoiden Roboterprojekte versuchen daher, durch Verwendung von eher comicartigem Aussehen und von Formen aus dem Fundus der frühen Visionen von Robotern im Science-fiction-Genre die Akzeptanz zu erhöhen und nicht möglichst menschenähnlich auszusehen. Bevor es jedoch zu den freundlichen Maschinen der Zukunft geht, führt die Reise weiter zu den Robotern, die heute schon in großer Zahl im Einsatz sind und so gar nicht aussehen wie Menschen: den klassischen Industrierobotern.
Frank Rieger
12. Roboter bauen Roboter?
Die Ikone der Automatisierung, quasi das Sinnbild des Rennens zwischen Mensch und Maschine, ist der Industrieroboter. Jeder kennt die Bilder: anfangs als beeindruckende Ausstellungsstücke auf Industriemessen zu sehen, heute meist dann, wenn in der Tagesschau über die allgemeinen Konjunkturaussichten oder die Absatzzahlen der Automobilhersteller berichtet wird. Einem sorgfältig choreographierten Ballett ähnlich, bewegt sich ein halbes Dutzend grellorangefarbener Roboterarme um eine Autokarosserie, Schweißpunkte
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