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Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)

Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition)

Titel: Arbeitsfrei: Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kurz , Frank Rieger
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dazu noch nicht zu spät: Aufgrund der intensiven öffentlichen Diskussion ist momentan zumindest bei den Militärs der technisch fortgeschrittenen Nationen eine Reihe von Direktiven in Kraft, die grundsätzlich erfordern, daß ein Mensch die Entscheidung über Angriff, Waffeneinsatz und Tötung trifft. Die Frage ist angesichts der fort schreitenden technischen Entwicklung jedoch, wie lange diese Vor sätze halten. Die Entwicklung geht nahezu unweigerlich dahin, daß Menschen ihre Entscheidungen auf der Basis von softwaregefilterten Bild- und Sensordaten treffen und die letztendliche Entscheidung, den Auslöser zu drücken, zu einer eher zeremoniellen Handlung degeneriert. Denn der Nachteil der Langsamkeit menschlicher Fähigkeiten im Vergleich zu computerisierter Berechnung und Optimierung wird immer größer werden.
    Besorgniserregend an der immer weitergehenden Automatisierung des Waffeneinsatzes ist auch, daß immer weniger Menschen für die Kriegshandlungen benötigt werden. Was auf den ersten Blick wie ein großer Vorteil erscheint, bei den Kampfhandlungen werden so schließlich weniger Menschenleben riskiert, kann auf längere Sicht zu grundlegenden Änderungen führen. Wenn sich die Macht, Gewalt in großem Umfang auszuüben, in sehr wenigen Händen konzentriert, die die Kontrolle über Polizei- und Militärroboter haben, entfällt die Notwendigkeit, über demokratische Legitimierung und das Einhalten moralischer Grundsätze den Gewalteinsatz zu rechtfertigen.
    Wenn die individuelle Gewissensentscheidung und das typisch menschliche Einschätzen einer Situation aus dem Bauch heraus der durch Roboter ersetzten Soldaten und Polizisten als Korrektiv wegfällt, ist ein Abgleiten in Strukturen möglich, die eher einem Raubrittertum als modernen demokratischen Gesellschaften ähneln. Mit Roboterarmeen ausgestattete Warlords und Diktatoren müßten sich nur noch der Loyalität ihrer Techniker und des Zugriffs auf die nötigen Produktions- und Kapitalressourcen sicher sein. Mittels unmarkierter, nicht ohne weiteres zu ihrem Auftraggeber rückverfolgbarer Kriegsroboter könnten sie eine Art anonymen Krieg führen, der das Schlagwort der asymmetrischen Kriege neu definieren würde. Die Grenze zwischen Krieg und Frieden würde endgültig verwischt. Eine wesentliche Forderung zur Verhinderung dieser Bedrohung ist daher, daß alle autonomen Systeme, egal, ob sie fliegen, fahren oder schwimmen, eine eindeutige, schwer fälschbare elektronische Kennung tragen müssen, die per Funk in einem standardisierten Verfahren ihre Identität, ihre Mission, den Eigentümer und die Kontaktkoordinaten aussendet, unter denen ihr verantwortlicher Betreiber zu erreichen ist. Alle Handlungen müssen in kryptographisch gesicherten Black Boxes gespeichert werden, so daß jederzeit nachvollziehbar ist, was das System wann, wo und in wessen Auftrag getan hat.
    Das Problem der Konzentration von Verantwortung und damit auch Macht durch die immer weitergehende Automatisierung und algorithmische Steuerung und die Fähigkeit zur Telepräsenz über die weltweit verfügbaren digitalen Netze stellt sich an vielen Orten, jedoch nicht überall so existentiell wie beim Militär. Schaut man sich etwa die Energieversorgung einer modernen Großstadt wie Berlin an, sieht man ein gewaltiges, komplexes Netzwerk aus Kraftwerken, Stromleitungen, Umspannwerken, Fernwärme- und Kälteleitungen und den dazugehörigen Steuerzentralen. Tatsächlich vor Ort sind nur noch wenige Menschen.
    Die Umspannwerke und Transformatoren sind bereits vollständig automatisiert und werden über Datenleitungen aus der Ferne überwacht. Auch in den Kraftwerken sind für die eigentliche Erzeugung von Strom und Wärme noch wenige Menschen in der physischen Nähe der Maschinen. Wenn nicht gerade Reparaturen und Wartungsarbeiten anstehen, sind zum Beispiel in einem großen Kraftwerk in Berlin-Mitte pro Schicht nur noch vier Mitarbeiter auf dem Gelände.
    In der Schaltzentrale überwachen zwei Anlagenfahrer den Betriebsablauf, alle Tätigkeiten werden an Bildschirmen ausgeführt, auf denen Schaubilder die Situation der Anlage visualisieren. Die Strichzeichnungen, mit denen der Zustand der komplexen Anordnung dargestellt wird, sehen auf allen Leitständen sehr ähnlich aus – egal, ob im Kraftwerk, in der Mühle oder in der Ölraffinerie. Die Steuerungstechnik folgt prinzipiell der gleichen Logik und kommt oft von denselben Herstellern.
    Videokameras erfassen jeden Winkel der Gebäude und

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