Arcanum – Das Geheimnis
uralt, sehr wertvoll und niemandem zugänglich sei, außer einem Mann, den sie als Großmeister bezeichnen. In ihm werden die Anfänge der Rosenbruderschaft beschrieben“.
„Kommen wir an das Buch ran?“, fragte Christopher einer spontanen Eingebung folgend.
Herbert fuhr unbeeindruckt fort, „da ist noch was, das mich in helle Aufregung versetzt hat. Auf dem Buchdeckel ist ein Symbol. Ein Kreuz mit vier Rosen.“
„Könnte Silvia ihren Freund so weit beturteln, dass er uns Zugang zu dem Buch verschafft?“, hakte Christopher nach.
„Vergiss es. Wir waren mal ein Paar. Ich habe sie dermaßen abblitzen lassen, dass sie mir ewige Rache geschworen hat. Sie will mir mit der Geschichte über die Fraternitas Rosae nur signalisieren, dass sie etwas weiß, an das ich nicht herankomme, um mir eins auszuwischen.“
„Quatsch Herbert. Ich bin sicher, sie ist nur deshalb Deine Sekretärin, weil sie ein Hintertürchen sucht, um die alte Liebe aufzuwärmen. Also ran. Tu es für unsere Sache.“
Herbert erwiderte kleinlaut, „Du hast vielleicht zum Teil recht“, dann fuhr er gequält fort:
„Das Problem mit dem Abblitzen ist, dass ich das vor einer halben Stunde gemacht habe. Nachdem sie mir die Sache mit der Verbindung erzählt hatte, habe ich sie vor lauter Begeisterung geküsst. Das hat sie irgendwie missverstanden, jedenfalls fing sie an, an meiner Hose herumzufummeln. Ich habe ihr daraufhin klar gemacht, dass sie eine Schlampe sei, weil sie einen festen Freund hat, um ihn bei der erstbesten Gelegenheit mit ihrem Exfreund zu betrügen“.
„Du hast was gemacht?“ Konnte ein Mensch so dumm sein. Er hätte schreien können.
Christopher stellte fest, dass das, was er in seinen jungen Jahren für eine temperamentvolle Ungeduld gehalten hatte, die er auf sein halbkubanisches Blut zurückführte, mit zunehmendem Alter in eine schwer zu kontrollierende Raserei übergehen konnte, bei der er das ungute Gefühl bekam, er könnte eines Tages jemandem den Hals umdrehen.
Herbert war alles andere als Fachmann in Sachen Beziehungskisten. Konnte er ihm einen Vorwurf machen, dass er Silvia nicht kaltblütig benutzt hatte, um das Buch zu bekommen?
Christopher ertappte sich bei dem Gedanken, dass er nicht einen Moment gezögert hätte, mit ihr dafür ins Bett zu gehen. Er erschrak über sich selbst. Schließlich war er glücklich verheiratet, oder nicht? Es war beinahe so, als würde das alte, wilde Tier in ihm aus seinem Schlaf erwachen. Wallingers Fund hatte nicht nur äußerlich sein Leben verändert. Es wurde zur Besessenheit.
Mit großer Anstrengung zwang er sich zur Ruhe. Er hatte bei seiner Yogaausbildung seine innere Unausgeglichenheit deutlich zu spüren bekommen. Damals lernte er das wilde Tier zu zähmen, doch nun es hatte spürbar an Kraft gewonnen.
Dieses geheimnisvolle Kunstwerk aus dem Wald von Hirsau war die sichtbare Spitze eines Eisberges, dessen größter Teil schon lange stetig unter seinem Kiel aus der Tiefe aufgetaucht war. Er würde mit diesem Eisberg wie von langer Hand geplant unweigerlich kollidieren.
Sein übersteigerter Ehrgeiz bekam etwas Kaltes und Unerbittliches. War nicht auch der Untergang der Titanic ein Akt der Vorsehung gewesen, die menschliche Arroganz in ihre Schranken zu verweisen? Memento mori!
Alles Unsinn. Da war nichts Übersinnliches, kein Plan, keine Vorsehung, die ihn in den Abgrund riss. Er wollte nicht glauben, dass er empfänglich war für jene dunklen Ängste, die seit Beginn des Denkens immer dann die Menschen beherrschten, wenn ein rationales Verständnis der Dinge noch jenseits ihres Horizontes lag.
Diese goldene Scheibe war eine ungewöhnliche Antiquität, deren Geschichte und Botschaft bis jetzt im Dunkeln lagen, nichts weiter.
„Entschuldige Herbert. Ich könnte ja versuchen, Silvia umzustimmen, oder traust Du Dir zu, das hinzubiegen?“
„Bitte mach Du das. Und könntest Du ihr sagen, dass er mir leidtut, und dass sie ja weiß, dass ich immer ungeschickt war in diesen Dingen“.
Aus Herberts Stimme sprach echte Zerknirschung. Er war im Grunde ein sensibler Typ, der seinen weichen Kern durch einen Panzer schützte, an dem etliche Frauen, die ehrliches Interesse an ihm gehabt hatte, abgeprallt waren.
„Gib mir mal ihre Telefonnummer. Die hast Du doch?“, fuhr Christopher fort. Er notierte den Anschluss mit Tübinger Vorwahl und legte auf, nachdem sie sich um zwölf Uhr im Hades verabredet hatten.
Christopher dachte kurz nach, dann wählte er ihre Nummer.
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