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Arche Noah, Touristenklasse

Arche Noah, Touristenklasse

Titel: Arche Noah, Touristenklasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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menschlicher Zug von mir.
    »Ruhe!« brüllte ich in die Nacht hinaus. »Wo ist das Hauskomitee? Komitee!!«
    Manfred Toscanini, den meine Leser bereits aus früheren Geschichten kennen und der mit dem gleichnamigen Dirigenten noch immer nicht verwandt ist, erschien auf dem Balkon seiner Wohnung und murmelte etwas Unverständliches.
    Manfred Toscanini ist Vorsitzender unseres Hausverwaltungskomitees. Aufmunternde Zurufe klangen ihm entgegen.
    »Auf was warten Sie? Sind Sie der Vorsitzende des Komitees oder sind Sie es nicht? Rühr dich! Mach was! Rufen Sie die Polizei! Für diese Art von Ruhestörung gibt es heute bis zu einem Jahr Gefängnis! Los!«
    »Einen Augenblick!« schrie Toscanini. »Wenn ihr so einen Lärm macht, kann ich ja gar nicht feststellen, wo der Lärm herkommt!«
    Wir verstummten. Es zeigte sich, daß die Musik aus der rechten Eckwohnung im Parterre kam.
    »Katzenmusik!« Das war Salah. Seine Stimme überschlug sich. »Sofort die Katzenmusik abstellen! Ben Gurion!«
    Toscanini stieg nervös von einem Fuß auf den andern.
    Er ist keine Kämpfernatur. Wir haben ihn nur gewählt, weil er eine schöne Handschrift hat und leicht zu behandeln ist.
    »Bitte das Radio abzustellen«, stammelte er. »Bitte. Wirklich.«
    Nichts geschah. Die Musik strömte in unverminderter Stärke durch die laue Nacht.
    Manfred Toscanini merkte, daß sein Prestige, sein Schicksal, seine Zukunft und das Glück seiner Kinder auf dem Spiel standen. Er hob die Stimme:
    »Wenn diese Katzenmusik nicht sofort aufhört, rufe ich die Polizei.«
    Einige Augenblicke atemloser Spannung folgten. Der Zusammenstoß zwischen Staatsgewalt und Rebellion schien bevorzustehen.
    Plötzlich wurde die Musik noch lauter: die Tür der Wohnung, aus der sie kam, hatte sich geöffnet. Im Türrahmen erschien Dr. Nathaniel Birnbaum, Seniorchef der nahegelegenen Zweigstelle des Staatlichen Israelischen Reisebüros.
    »Wer ist der Ignorant«, fragte Dr. Birnbaum mit volltönender Stimme, »der die Siebente von Beethoven als Katzenmusik bezeichnet?«
    Stille. Tiefe, lautlose Stille. Beethovens Name schwebte zwischen den Häusern einher, drang den Bewohnern in Mark und Bein und wurde wie ein rasch wirkendes Gift von ihrem Nervensystem absorbiert. Manfred Toscanini, das Gesicht zu einer entsetzten Grimasse verzerrt, krümmte sich wie ein Wurm. Ich meinerseits trat einen Schritt vom Fenster zurück, um klarzustellen, daß ich mich mit seinem niveaulosen Verhalten in keiner Weise identifizierte.
    Während all dieser Zeit blieb die himmlische Musik diskret hörbar. Dr. Birnbaum verabsäumte es nicht, seinen Sieg bis zur Neige auszukosten:
    »Nun? Wo steckt der Analphabet? Für wen ist Beethovens Siebente eine Katzenmusik? Beethovens Siebente!«
    Verlegenes Räuspern. Beschämtes Husten. Schließlich flüsterte der schurkische Delikatessenhändler mit verstellter Stimme:
    »Es war der Vorsitzende des Komitees .« »Ich gratuliere!« Der Hohn in Dr. Birnbaums Stimme war nur zu berechtigt. »Ich gratuliere uns allen zu einem solchen Vorsitzenden!«
    Damit drehte er sich um und verschwand gelassenen Schritts in seiner Wohnung. Eine schwer zu beschreibende Welle kultureller Überlegenheit ging von ihm aus.
    Kläglich und vereinsamt blieb Manfred Toscanini auf der Walstatt zurück, ein geschlagener Mann.
    »Ich war so zornig«, sagte er entschuldigend, »ich war vor Wut so zornig, daß ich vor Zorn die Siebente von Beethoven nicht erkannt habe.«
    »Pst!« zischte es von allen Seiten auf ihn los. »Ruhe! Mund halten! Man kann die herrliche Musik nicht hören!«
    Mit gesenktem Kopf zog sich Manfred Toscanini in seinen Bau zurück. Wir andern lauschten im Zustand völliger Verzauberung dem Titanenwerk jenes größten aller Musikgenies. Zahlreiche Hausbewohner streckten sich behutsam auf ihren Liegestühlen aus und schlossen die Augen, um sich den unsterblichen Klängen besser hingeben zu können. Und ich? Ich sah zum sternenbedeckten Himmel empor, und meine Lippen formten leise und demütig ein einziges Wort:
    »Beethoven.«
    Nur der Jemenite Salah und sein Weib Etroga störten die weihevolle Stille mit ihrem Getuschel.
    »Wer ist das?« fragte Etroga.
    »Wer ist wer?«
    »Dieser Herr ... wie heißt er nur ... Betovi ...«
    »Ich weiß nicht.«
    »Muß ein wichtiger Mann sein, wenn alle solche Angst vor ihm haben.«
    »Ben Gurion«, sagte Salah. »Ben Gurion.« »Und warum hast du geschrien, wenn du nichts weißt?«
    »Alle haben geschrien.«
    »Alle dürfen. Du darfst

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