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Arche Noah, Touristenklasse

Arche Noah, Touristenklasse

Titel: Arche Noah, Touristenklasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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Sprechen wir von Ihnen. Haben Sie mich im >Verblühten Nußbaum< gesehen?«
    »Noch nicht«, sagte ich. »Nächste Woche hole ich es bestimmt nach. Und jetzt muß ich gehen. Salzmann verreist heute nachmittag und wartet auf mich.«
    »Dabei ist die Rolle, die ich im >Verblühten Nußbaum< spiele, gar nicht so groß. Aber ich, Jarden Podmanitzki, mache selbst aus dem kleinsten Auftritt eine Hauptrolle. Und was für eine. Warten Sie, ich lese sie Ihnen vor.«
    Damit zog er aus seiner Brusttasche ein mehrmals zusammengefaltetes Papier.
    »Vielleicht ein anderes Mal«, sagte ich. »Salzmann wartet, und -«
    »Dritter Akt, zweite Szene. Ein gutgekleideter Herr tritt von rechts auf. Entschuldigen Sie, Madame, wann geht der Zug nach St. Petersburg? Katharina Nikolajewna: Morgen vormittag, Monsieur. Der gutgekleidete Herr, sanft: Wie schade, Madame. Wie schade. Geht links ab. Nun?«
    »Nun? Sie wollten mir doch Ihre Rolle vorlesen?«
    »Wieso? Das ist schon die Rolle. Wie gefällt sie Ihnen? Aufregend, was?«
    »Nun ja. Klingt nicht schlecht. Man wird ja sehen. Aber jetzt müssen Sie mich wirklich entschuldigen. Ich -«
    »Mein ganzer Text im >Verblühten Nußbaum< besteht aus diesen wenigen Worten. Erst durch mich, Jarden Podmanitzki, wird aus diesen wenigen Worten eine Rolle. Stanislawsky sagte mir einmal: >Merken Sie sich, Podmanitzki - es gibt keine unbedeutenden Rollen. Es gibt nur unbedeutende Autoren. < Natürlich hätte ich in diesem Stück auch die Hauptrolle bekommen können. Aber das wahre schauspielerische Genie, zum Beispiel meines, beweist sich am besten in Nebenrollen.«
    »Sehr richtig. Und jetzt muß ich zu Salzmann.«
    »Sicherlich interessiert es Sie, wie ich die Rolle auffasse.
    Stanislawsky hat mich gelehrt, daß man zuerst den Hintergrund jeder Rolle analysieren muß, ehe man sie überhaupt spielen kann. >Es genügt nicht, lieber Freund< - so sagte er mir - >es genügt nicht, den Text auswendig zu lernen.
    Man muß den Charakter des ganzen Menschen kennen, den man darstellen will. Seine Träume, seine Enttäuschungen, seine Mentalität. Man muß sogar wissen, ob er an Schlaflosigkeit leidet oder nicht. Man muß eins werden mit der Rolle, muß mit ihr verschmelzen, mein lieber Freund. Wenn Sie das nicht können, werden Sie nie ein Schauspieler.< Nach diesen Worten Stanislawskys habe ich mich mein Leben lang gerichtet. Und als ich die Rolle des gutgekleideten Herrn im >Verblühten Nußbaum< übernahm, begann ich sie sofort zu analysieren. Was ist's mit Ihnen, Sie gutgekleideter Herr? fragte ich. Wer sind Sie? Woher kommen Sie? Wohin gehen Sie?«
    »Zu Salzmann«, antwortete ich hastig. »Wenn ich ihn jetzt verfehle, muß ich wieder zwei Wochen -«
    »Vielleicht ist dieser gutgekleidete Herr innerlich weniger vornehm als außen. Vielleicht ist er robust, vielleicht ein Invalide, vielleicht ein Verbrecher. Langsam, langsam begann er vor meinem geistigen Auge Gestalt anzunehmen. Ich gestehe, daß ich nahezu eine Woche völlig im dunkeln tappte.
    Aber eines schönen Mittags erwachte ich, setzte mich im Bett auf und hörte mich ausrufen: Er ist klein und gedrungen! Er muß klein und gedrungen sein, es geht gar nicht anders.
    Er ist mindestens einen Kopf kleiner als ich. Jetzt wollen Sie wahrscheinlich wissen, wie ich das machen werde? Nun, Stanislawsky sagte mir einmal: >Nicht jeder Versteller ist ein Schauspieler, aber jeder Schauspieler ist ein Versteller.«
    Verstehen Sie? Wenn ich will, kann ich auf der Bühne wie ein Zwerg wirken, und wenn ich will, wie eine chinesische
    Porzellanfigur. Außerdem trägt er einen Zwicker. Das war bei den gutgekleideten Herren jener Zeit üblich. Er ist weitsichtig.
    Nicht sehr, vielleicht zwei oder drei Dioptrien - aber er braucht den Zwicker zum Sehen. Schließlich ist er nicht mehr der Jüngste. Das Haar an seinen Schläfen ist grau meliert.
    Vielleicht spiele ich auch eine kleine Andeutung von Ischias.
    Ganz diskret, versteht sich.
    »Meister, jetzt muß ich -«
    »Ich weiß, was Sie sagen wollen. Jetzt müssen Sie wissen, warum er Katharina Nikolajewna nach dem Zug fragt. Ja glauben Sie denn wirklich, daß dieser läppische Zug ihn interessiert? Keine Spur. Er muß ganz einfach etwas fragen, muß mit irgendeinem Menschen in diesem Augenblick über irgendetwas reden, sonst wird er verrückt. Das ist es. Hier reiße ich ihm die Maske vom Gesicht und zeige das Leid, das ihn durchfurcht, das ewige Leiden, die große Einsamkeit.
    Wie lange erträgt ein Mensch diese

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