Arche Noah, Touristenklasse
es auch diesmal nicht klappen wird.
Natürlich nicht. An der Spitze einer senegalesischen Kavalleriebrigade erstürmt Inspektor Robitschek das Zimmer. Der arme Gustl kommt nicht zur Ruhe. Mit einem Panthersatz erreicht er die Treppe, stürzt hinunter, bricht eine entgegenkommende Wohnungstür auf - ein verschrecktes altes Ehepaar stellt sich ihm in den Weg - der Greis will ihn am Mantel festhalten - laß das doch, Opapa, das ist nicht deine Sache - und schrumm! schon saust Gustls Pranke auf das Haupt des Patriarchen nieder. Das hat er davon. Ein weiteres Hindernis beseitigt. Mach rasch, Gustl. Die Bluthunde sind dir auf den Fersen.
Robitschek, der rücksichtslose Karrierist, schleudert eine Tränengasbombe ins Zimmer. Ein Schrei aus hundert Frauenkehlen ertönt im Zuschauerraum. Gustl leidet. Er leidet entsetzlich. Er hat seit Beginn des Films mindestens fünf Kilo abgenommen.
Ein Blick auf die Uhr. Noch zehn Minuten. Jetzt ist es bald soweit, daß ein Verbrechen nichts einbringt. Das Ende naht.
Nun ja. Gustl, formal und dogmatisch betrachtet, ist ein Mörder, das wissen wir. Trotzdem: in menschlicher Hinsicht ist er ein Charakter aus purem Gold. Außerdem hat man ihn in eine unmögliche Zwangslage gebracht. Den Patriarchen hätte er vielleicht nicht umbringen müssen, aber da war er halt schon sehr nervös. Kein Wunder. Halt dich, Gustl. Es ist klar, daß du auf dem Altar der Zensur geopfert werden mußt, aber wehr dich wenigstens, solange du kannst. Schlag das Fenster ein, dann bekommst du Luft . Der tückische Robitschek hat durch die Türe gefeuert, und eine der Revolverkugeln wurde von Gustl aufgefangen. Über dem leblos hingestreckten Körper des Giganten führt Robitschek buchstäblich einen Freudentanz auf ... beugt sich siegestrunken zu ihm hinab ...
Hurra! Das Publikum jubelt! Gustl hat den schmierigen Wurm gepackt und an die Wand geklebt. Er ist einfach phantastisch. Der geborene Taktiker. Die tödliche Verwundung war nur gespielt.
Schon ist er aufgesprungen, schon schwingt er sich durchs Fenster.
Vielleicht werden wir jetzt zu Zeugen einer unerhörten, einer historischen Wendung. Vielleicht wird, zum ersten Mal in der Geschichte der Kinematographie, der kleine Verbrecher davonkommen, vielleicht geschieht ein Wunder und er ist gar nicht der wirkliche Mörder - nicht er, sondern Boulanger - er ist Valeries Stiefvater ... Klak-klak-klak-klak-klak.
Natürlich. So mußte es kommen. Eine Maschinengewehrsalve hat ihn hingestreckt. Großartig. Wirklich ein großartiger Erfolg. Die Armee der Grande Nation hat einen unbewaffneten Mann überwältigt. Gustl liegt im Rinnstein.
Trompetensignale aus der Ferne.
FIN.
Das Licht im Saal geht an und erhellt ein paar hundert tief enttäuschte Gesichter.
Erholung beim Kriminalfilm? Ablenkung? Aufregung? Spannung? Es gibt nichts Langweiligeres als die triumphierende Gerechtigkeit.
Auch heute noch wird die israelische Bühnenkunst von Stanislawsky dem Allmächtigen inspiriert. Könnte der große russische Regisseur sehen, was seine Gefolgsleute in Israel leisten - er würde vor Freude weinen.
Und wenn nicht vor Freude, dann nur so. Weinen würde er jedenfalls.
DER ZUG NACH ST. PETERSBURG
Nachdem er mir durch zwei Hauptverkehrsadern nachgejagt war, hatte mich Jarden Podmanitzki, der bekannte Charakterdarsteller, endlich beim Kragen. Meine letzten Abwehrversuche mit Brachialgewalt überwindend, zerrte er mich in das nächstgelegene Kaffeehaus, wo er seiner Freude über unser zufälliges Zusammentreffen lebhaften Ausdruck gab.
Nochmals versuchte ich ihm zu entkommen und schützte eine Verabredung mit einem gewissen Salzmann vor, die ich groteskerweise wirklich hatte. Podmanitzki wischte sie mit einer grandiosen Gebärde in die Luft. »Er wird ein paar Minuten warten«, sagte er.
Meine Verabredung mit Salzmann war auf 12 Uhr mittag festgesetzt. Die Uhr zeigte drei Minuten vor zwölf. Podmanitzki bestellte russischen Tee und kam auf einige Probleme zu sprechen, die gerade im Mittelpunkt des Weltinteresses standen - wie etwa sein kommendes Auftreten am Freitag abend vor einem reinen Gewerkschaftspublikum.
»Es ist wirklich ein Jammer, daß ich jetzt gehen muß.« Ich erhob mich. »Meine Verabredung ist leider sehr wichtig.«
»Einen Augenblick.« Jarden Podmanitzki umklammerte meinen Oberarm und zog mich zurück. »Auch ich habe eine wichtige Verabredung und leiste Ihnen trotzdem Gesellschaft.
Aber sprechen wir nicht länger von mir.
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