Arche
Schultern und passte wunderbar zu ihrem eng anliegenden Abendkleid. In dem tiefen V-Ausschnitt hing als einziger Schmuck das Medaillon ihres Vaters. Ihr dezentes Make-up betonte ihre hohen Wangenknochen und die schokoladenfarbenen Augen.
Sie knickste leicht und fragte: »Nun?«
»Du siehst absolut überwältigend aus.«
Sie lächelte verlegen und zugleich erfreut über das Kompliment. »Bei der Arbeit habe ich nicht oft Gelegenheit, mich hübsch zu machen.«
»Dann sollten wir allen zeigen, was sie versäumen«, sagte er und hielt ihr den Arm hin. »Gehen wir?«
Auf den hohen Absätzen war sie fast so groß wie er. Sie hakte sich bei ihm unter und sah ihm tief in die Augen. »Ich muss gestehen, ich habe nicht erwartet, dass ein Ingenieur im Smoking eine derart gute Figur machen kann.«
»Vielleicht sollte ich öfter einen tragen.«
»Der Meinung bin ich auch«, sagte sie genüsslich. Dann wurde ihr Ton wieder geschäftlich: »So. Nun schauen wir mal, ob wir ein paar Antworten auf unsere Fragen kriegen.«
Sie traten auf eine lange Galerie, von der aus man die zentrale Einkaufspromenade der Genesis Dawn überblicken konnte. Das offene Atrium entsprach in der Länge zwei Fußballfeldern und war neun Decks hoch. An den Galerien der oberen sieben Decks lagen Kabinen, in den unteren beiden drängten sich Boutiquen, Restaurants und Bars. Drei gläserne Fahrstühle schwebten in beide Richtungen und transportierten Passagiere, die keine Lust hatten, die spiralförmige Rampe zu benutzen. Die unterste Ebene war in einen prachtvollen Ballsaal verwandelt worden. Zwischen den vielen tausend Gästen bahnten sich Kellner in weißen Jacketts mit Tabletts voll Champagner und Hors d’Œuvres den Weg.
Tyler suchte die Gäste ab.
»Hast du ihn schon entdeckt?«, fragte Dilara auf dem Weg zum Fahrstuhl.
»Noch nicht. Bei so vielen Menschen ist das gar nicht so einfach.«
Doch dann erspähte er einen blonden Mann, der sich angeregt vor einer Runde Ehepaare auszulassen schien, die ihm aufmerksam lauschte. Die Gestik des Mannes kam ihm bekannt vor. Als er ihm in Hawaii mit seinen Tiraden über Sünde und Vergeltung in den Ohren gelegen hatte, hatte er auf eine ganz
ähnliche Weise mit den Armen gefuchtelt. Eine Sekunde lang drehte er den Kopf, und Tyler erkannte sein Gesicht. Er sah gut aus. Seine Züge waren weniger weich, als er sie in Erinnerung hatte. Sein Haar war perfekt gestylt, und sein Smoking hatte mindestens fünftausend Dollar gekostet.
»Da ist er«, sagte Tyler und nickte in Ulrics Richtung.
»Der Mann da hat meinen Vater getötet?«
»Das weiß ich nicht. Aber ich wette, er ist der Drahtzieher. Zuzutrauen ist es ihm allemal.«
»Er sieht so charmant aus. Es fällt mir schwer, ihn für einen Massenmörder zu halten.«
»Wir müssen sehr aufpassen. Ulric ist gemeingefährlich. Er kennt absolut keine Skrupel. Aber er ist auch äußerst intelligent. Wir dürfen uns nicht den geringsten Fehler erlauben. Komm mit.«
Er führte sie zum Fahrstuhl. Als sie unten waren und zur Gala gehen wollten, sprach sie eine Losverkäuferin an.
»Wollen Sie vielleicht ein Zusatzticket kaufen? Als Gast nehmen Sie automatisch an der Verlosung dieser großartigen Preise hier teil.« Sie wies auf ein Podium, beladen mit funkelnden Gewinnen wie einem roten Mustang Cabriolet, zwei Motorrädern von Suzuki – eines rot, das andere schwarz -, Plasmafernseher, Computer und unzählige andere elektronische Artikel. Die Schlüssel für das Auto und die Motorräder, alle mit einem auf das Fahrzeug farblich abgestimmten Anhänger versehen, hingen in einem geschlossenen Glaskasten bei den Gewinnen.
»Sie erhöhen jedoch Ihre Chancen, dass wir Ihnen am Ende der Reise einen dieser Schlüssel überreichen«, sagte sie, »wenn Sie weitere Lose erwerben.«
»Nein, danke«, sagte Tyler und nahm zwei Champagnergläser vom Tablett eines Kellners. Es dauerte mehrere Minuten,
sich einen Weg durch die Menge zu bahnen und sich so aufzustellen, dass sie hinter Ulric standen. Tyler spürte, wie Dilara seinen Arm drückte.
»Die Frau kommt mir bekannt vor«, raunte sie ihm zu.
»Die neben Ulric?«
»Ja.«
»Woher?«
»Vom Flughafen in L.A. Das ist die Frau, die ihre Handtasche fallen ließ.«
»Die Sam Watson vergiftet hat?«
Sie nickte. »Sie trug das Haar anders, außerdem habe ich sie nur ganz kurz gesehen, deshalb bin ich mir nicht sicher. Aber als ich ihr Profil sah, fiel mir sofort die Szene am Flughafen wieder ein.«
»Würdest du ihre
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