Archer Jeffrey
der Regen bald aufhören.«
»Sehr gern«, meldete sich Anna und ließ den Brief unter dem Tisch verschwinden.
»Was ist mit dir, Robert?«, fragte Reggie.
Anna sah zu, wie ihr Mann die Times zusammenfaltete, die Zeitung vor sich auf den Tisch legte und den Kopf schüttelte.
O Gott, dachte Anna. Er trägt tatsächlich eine Tweedjacke und eine MCC-Krawatte!
»Ich würde gern mitspielen«, erklärte Robert, »aber ich fürchte, ich muss ein paar Anrufe machen.«
»An einem Samstagmorgen?«, fragte Muriel, die vor dem reich bestückten kalten Büfett stand und ihren Teller zum zweiten Mal füllte.
»Leider ja«, antwortete Robert. »Weißt du, Verbrecher haben keine Fünftagewoche, und sie erwarten, dass ihre Anwälte rund um die Uhr für sie da sind.« Jetzt lachte Anna nicht. Genau diese Bemerkung hatte sie in den vergangenen sieben Jahren jeden Samstag gehört.
Robert erhob sich von der Tafel, blickte zu seiner Frau hinüber und sagte: »Wenn du mich brauchst, meine Liebe, ich bin in meinem Zimmer.«
Anna nickte und wartete, dass er die Tür hinter sich schloss.
Sie wollte gerade den Brief weiterlesen, als sie bemerkte, dass Robert seine Brille hatte liegen lassen. Sie würde sie ihm bringen, sobald sie zu Ende gefrühstückt hatte. Jetzt legte sie den Brief vor sich auf den Tisch und wandte sich der zweiten Seite zu.
»Weißt du. was ich für unseren Jahrestag geplant habe, während das Weichei in Leeds auf seiner Konferenz ist? Ich habe uns dasselbe Zimmer im Lygon Arms gebucht, in dem wir unsere erste gemeinsame Nacht verbrachten. Diesmal habe ich Karten für Ende gut, alles gut reservieren lassen. Und ich hätte noch einen ganz besonderen Wunsch, sobald wir von Stratford in unser Zimmer im Broadway-Hotel zurückgekehrt sind.
Ich möchte an das Himmelbett gefesselt sein, und du sollst über mir stehen als Police Sergeant: mit Schlagstock, Trillerpfeife, Handschellen, in enger schwarzer Uniform mit silberfarbenen Knöpfen, die du langsam öffnen wirst, damit man deinen schwarzen BH darunter sieht. Und, mein Liebling, du darfst mich nicht freilassen, ehe ich dich dazu gebracht habe, lauthals zu schreien, wie du es in der Tiefgarage in May fair getan hast.
Bis dahin,
dein dich liebender Oberon.«
Anna hob den Kopf und lächelte. Sie fragte sich, wo sie eine solche Uniform bekommen könnte. Sie wollte sich gerade wieder der ersten Seite zuwenden, als sie das Postskriptum bemerkte.
»P.S. Ich frage mich, was das Weichei gerade macht.«
Plötzlich bemerkte Anna, dass Roberts Brille nicht mehr auf dem Tisch lag.
»Was muss das bloß für ein Halunke sein, der einer verheirateten Frau einen so ungeheuerlichen Brief schreibt!«, empörte sich Robert, während er seine Brille zurechtrückte.
Anna drehte sich erschrocken um. Ihr Mann stand hinter ihr. Er starrte hinunter auf den Brief, und Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn.
»Was fragst du mich das«, erwiderte Anna cool, als Muriel mit einem Tennisschläger kam. Sie faltete den Brief zusammen, reichte ihn ihrer ältesten Freundin, zwinkerte ihr zu und sagte: »Faszinierend, meine Liebe, aber ich hoffe für dich, dass Reggie nie dahinter kommt.«
Verbrechen lohnt sich
Kenny Merchant – es war nicht sein echter Name, aber was war schon echt an ihm? – hatte sich an einem ruhigen Montagmorgen Harrods als Ausgangspunkt für sein Unternehmen ausgesucht.
Kenny trug Nadelstreifenanzug, weißes Hemd und GuardsKrawatte. Wenige Kunden hätten gewusst, dass es sich um eine Guards-Krawatte handelte, doch Kenny war überzeugt, dass der Verkäufer, von dem er sich bedienen lassen wollte, die roten und dunkelblauen Streifen sofort erkennen würde.
Der Portier, der ihm die Tür aufhielt, hatte bei den Coldstream Guards gedient und salutierte, kaum dass er die Krawatte bemerkt hatte – derselbe Portier, der ihn während seiner Besuche in der vergangenen Woche kein einziges Mal beachtet hatte. Aber das war kein Wunder: da hatte Kenny einen abgetragenen Anzug, ein offenes Hemd und eine dunkle Brille getragen. Doch letzte Woche war er nur zum Erkunden hier gewesen – heute wollte er sich festnehmen lassen.
Harrods hat jede Woche gut hunderttausend Kunden. Am ruhigsten war es am Montag zwischen zehn und elf. Kenny kannte jede Einzelheit des großen Kaufhauses, so wie ein Fußballfan mit allem vertraut war, was »seine« Mannschaft betraf.
Er wusste, wo die Überwachungskameras angebracht waren, und er erkannte jeden Wachmann schon aus dreißig Schritt Entfernung. Er
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