Archer Jeffrey
Geschworenen, ehe er fragte: »Wie viel Gewinn haben Sie im ersten Jahr gemacht?«
Es wurde so still im Gerichtssaal wie nie zuvor während des achttägigen Prozesses, als Kenny überlegte.
»4.412.000 Pfund«, sagte er schließlich.
»Und in diesem Jahr?«, erkundigte Mr. Jarvis sich ruhig.
»Weniger. Ich nehme an, es lag an der Rezession, und …«
»Wie viel?«, fragte Mr. Jarvis scharf.
»Knapp über 1.200.000.«
»Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.«
Beide Anwälte hielten ihre beschwörenden Schlussplädoyers, doch Kenny ahnte, dass die Geschworenen, ehe sie zu einer Entscheidung gelangten, das morgige Resümee des Richters abwarteten.
Richter Thornton nahm sich viel Zeit für seine Zusammenfassung. Er wies die Geschworenen darauf hin, dass es seine Pflicht sei, ihnen die in diesem Fall geltenden Gesetze genau zu erläutern.
»Wir haben es hier offenkundig mit einem Mann zu tun, der die betreffenden Gesetze gründlich studiert hat. Und das ist sein Recht, denn es sind die Parlamentarier, welche die Gesetze machen. Es steht den Gerichten nicht an, erforschen zu wollen, woran sie gedacht haben, als sie die Gesetze erließen.«
»Mr. Merchant steht in sieben Punkten unter Anklage. Bei sechs Punkten möchte ich Ihnen raten, ihn für nicht schuldig zu befinden, denn in diesen Fällen hat Mr. Merchant kein Gesetz gebrochen.«
»Beim siebenten Punkt – der Anklage, dass er jenen Kunden kein Belegexemplar seiner Zeitschrift Business Enterprise UK zukommen ließ, die für ein Inserat bezahlten und ein Belegexemplar verlangten – gab er zu, in einigen Fällen kein solches Exemplar verschickt zu haben. Sie mögen der Meinung sein, meine Damen und Herren Geschworenen, dass der Angeklagte hier das Gesetz brach, auch wenn er diesen Missstand im nächsten Jahr behob – doch wie ich vermute, nur weil die Zahl der verlangten Belegexemplare geringer war. Sie werden sich gewiss an die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes und deren Bedeutung erinnern.« Zwölf völlig ausdruckslose Gesichter ließen darauf schließen, dass die Geschworenen keine Ahnung hatten, wovon der Richter sprach.
Der Richter endete mit den Worten: »Ich hoffe, Sie sind sich der Tragweite Ihrer Entscheidung bewusst, da dieser Urteilsspruch nicht nur vom Beklagten mit allergrößtem Interesse erwartet wird.«
Kenny pflichtete ihm insgeheim bei, während er beobachtete, wie die Geschworenen in Begleitung der Gerichtsdiener den Saal verließen. Er wurde in seine Zelle zurückgebracht, wo er seinen Lunch ablehnte. Eine Stunde lag er untätig auf seiner Pritsche, bis man ihn wieder zur Anklagebank führte, um dort den Urteilsspruch zu hören. Wieder musste er ein paar Minuten warten, bis die Geschworenen auf ihre Plätze zurückkehrten.
Der Richter setzte sich, blickte hinunter zum Schriftführer und nickte. Der Mann wandte sich an die Geschworenen und verlas jeden der sieben Anklagepunkte; dann fragte er den Vorsitzenden der Geschworenen nach ihrem Urteil.
Bei den ersten sechs Punkten hatten die Geschworenen den Rat von Richter Thornton befolgt und für »nicht schuldig« gestimmt.
Dann verlas der Gerichtsdiener den siebenten Punkt: die Unterlassung, jenen Kunden, die für ein Inserat bezahlt und ein Belegexemplar des Journals angefordert hatten, selbiges zu liefern. »Wie befinden Sie den Beklagten in diesem Fall?«, erkundigte sich der Schriftführer.
»Schuldig«, antwortete der Sprecher der Geschworenen und nahm wieder Platz.
Der Richter wandte sich nun Kenny zu, der strammstand.
»Ebenso wie Sie, Mr. Merchant«, sagte er, »habe ich das Datenschutzgesetz von 1992 gründlich studiert, vor allem die empfohlene Strafe bei Nichteinhaltung von Artikel 84, Paragraf eins. Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass mir keine Wahl bleibt, als die Höchststrafe zu verhängen, die das Gesetz in diesem Fall gestattet.« Er starrte auf Kenny hinunter, als wollte er ihn zum Tode verurteilen.
»Sie beträgt 1000 Pfund.«
Mr. Duveen erhob sich nicht, um zu erklären, dass er Berufung einlegen würde; er bat auch nicht um Stundung. Das Urteil entsprach genau dem, was Kenny vorhergesagt hatte. Er hatte in den vergangenen zwei Jahren nur einen einzigen Fehler gemacht, und dafür würde er gern bezahlen. Kenny verließ die Anklagebank, stellte einen Scheck über den geforderten Betrag aus und überreichte ihn dem Gerichtsdiener.
Nachdem er sich bei seinem Anwalt bedankt hatte, blickte er auf die Uhr und verließ rasch den Gerichtssaal. Der Chief Inspector wartete im Korridor auf
Weitere Kostenlose Bücher