Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verbrechen lohnt sich
Vom Netzwerk:
auf, und der Kurator verneigte sich knapp.
    Ich wurde ein paar Jahre später an diese Geschichte erinnert, als ich an einer Auktion Moderner Kunst im Sotheby ParkeBernet in New York teilnahm, bei der die dritte Edition der Liegenden unter den Hammer kam und für 1.600.000 Pfund ersteigert wurde.
    Ich bin überzeugt, dass Scotland Yard den Fall der verschwundenen sechsten Edition der Liegenden von Henry Moore abgeschlossen hat, da man dort das Verbrechen für gelöst hält. Allerdings vertraute mir der Chief Inspector, der den Fall bearbeitet hatte, etwas an: Falls ein unternehmungslustiger Verbrecher die Gießerei überreden könne, eine weitere Edition der Liegenden herzustellen und sie als »6/12« zu deklarieren, könnte er sie für etwa eine Viertelmillion Pfund an einen Kunden verkaufen, der Diebstähle für Meisterwerke in Auftrag gab. Ja, niemand kann sicher sein, wie viele sechste Editionen der Liegenden sich zurzeit im Privatbesitz befinden.

Die Kirschen in Nachbars Garten
    Bill schreckte hoch. So war es immer nach einem langen Wochenende mit einem Dach über dem Kopf. Sobald die Sonne am Montagmorgen aufgegangen war, erwartete man von ihm, dass er den Platz räumte. Er hatte unter dem Türbogen der Critchley Bank mehr Jahre zugebracht als die meisten der Bankangestellten im Gebäude.
    Jeden Abend gegen neunzehn Uhr erschien Bill vor dem Portal der Bank. Nicht, dass ihm jetzt noch jemand diesen Platz streitig machen würde. Während der letzten zehn Jahre hatte er viele kommen und gehen sehen. Manche hatten ein Herz aus Gold; bei anderen war es aus Silber, bei wieder anderen aus Bronze. Bill hatte durchschaut, wer zu welcher Kategorie gehörte, und das nicht bloß daran, wie die Leute sich ihm gegenüber verhielten.
    Er blickte auf die Uhr über der Tür: zehn vor sechs. JungKevin würde jeden Moment zur Tür kommen und ihn ersuchen, bitte so freundlich zu sein und weiter zu ziehen. Ein guter Junge, dieser Kevin – er steckte Bill oft ein paar Pence zu, was für Kevin wirklich ein Opfer war, jetzt, da es bald wieder Familienzuwachs gab. So aufmerksam würde ihn kaum einer der Leute behandeln, die später kamen.
    Bill hing noch einen Augenblick seinen Träumen nach. Er würde gern Kevins Job haben, und seinen dicken warmen Mantel und die Schirmmütze. Zwar wäre er dann immer noch im Freien, aber mit einer richtigen Stelle und regelmäßigem Gehalt. Manche hatten eben Glück. Kevin brauchte nicht viel mehr zu sagen als »Guten Morgen, Sir. Hatten Sie ein schönes Wochenende?« Nicht einmal die Tür musste er aufhalten, seit sie die Automatik eingebaut hatten.
    Doch Bill beklagte sich nicht. Es war kein zu schlechtes Wochenende gewesen. Es hatte nicht geregnet, und die Polizei verscheuchte ihn auch nicht mehr – nicht seit er vor Jahren diesen Kerl auffliegen ließ, der vor der Bank einen IRALieferwagen abgestellt hatte. Diese Beobachtungsgabe und Geistesgegenwart hatte Bill seiner Ausbildung in der Armee zu verdanken.
    Es war ihm geglückt, eine Financial Times vom Freitag und eine Daily Mail vom Samstag aufzutreiben. Die Financial Times erinnerte ihn, dass er in Internet-Firmen investieren und die Finger von Textilunternehmen lassen sollte, weil deren Aktien seit der Sache mit den High-Street-Verkäufen rapide gefallen waren. Bill war vermutlich der Einzige im Umkreis der Bank, der die Financial Times aufmerksam von vorn bis hinten las, und mit Sicherheit war er der Einzige, der die Zeitung dann als Decke benutzte. Die Mail hatte er aus dem Container hinter dem Gebäude gefischt – erstaunlich, was einige dieser Yuppies da hineinwarfen, von einer Rolex-Uhr bis zu einem Päckchen Kondome hatte er schon alles entdeckt. Nicht, dass er Bedarf an Ersterem oder Letzterem hatte. Es gab mehr als genug Uhren in der City, als dass Bill eine weitere gebraucht hätte. Und was die Kondome betraf – sinnlos, seit er aus der Armee ausgeschieden war. Die Uhr hatte er verkauft, und die Kondome Vince überlassen, der sich an der Bank of America eingenistet hatte. Vince prahlte immer mit seinen neuesten Eroberungen, was unter den gegebenen Umständen recht unwahrscheinlich erschien. Jedenfalls beschloss Bill Vinces Aufschneiderei endlich an den Tag zu bringen und gab ihm die Kondome als Weihnachtsgeschenk.
    Im ganzen Haus gingen jetzt die Lichter an, und als Bill durch das Panzerglasfenster blickte, sah er, wie Kevin in seinen Mantel schlüpfte. Es wurde Zeit für Bill, seine Habe zusammenzupacken und weiterzuziehen. Er

Weitere Kostenlose Bücher