Archer Jeffrey
paar Minuten später trat Fiona aus dem Restaurant und folgte dem Mann. Charles überquerte die Straße; ein Taxifahrer mußte seinen Wagen verreißen, ein Motorradfahrer scharf abbremsen. Charles merkte nichts. Aus sicherer Distanz beschattete er seine Frau. Er sah, wie Fiona das Stafford Hotel betrat. Sie ging durch die Drehtür und zum Fahrstuhl.
Charles starrte auf die kleinen Ziffern über dem Fahrstuhl, bis die Vier aufleuchtete. Dann ging er zur Rezeption. »Kann ich etwas für Sie tun, Sir?« fragte der Portier.
»Ist – ist der Speisesaal im vierten Stock?«
»Nein, Sir«, erwiderte der Portier erstaunt, »der Speisesaal ist im Erdgeschoß, im vierten Stock sind nur Zimmer.«
»Danke«, sagte Charles und verließ das Hotel.
Langsam ging er zum Economist-Gebäude zurück und wartete fast zwei Stunden, bis der Mann aus dem Stafford-Hotel kam. Alexander Dalglish rief ein Taxi und verschwand in Richtung Piccadilly.
Zwanzig Minuten später trat Fiona aus dem Hotel und ging durch den Park, bevor sie den Weg zum Eaton Square einschlug. Dreimal mußte Charles seinen Schritt verlangsamen, um nicht gesehen zu werden; einmal war er Fiona so nahe, daß er ein zufriedenes Lächeln auf ihrem Gesicht zu sehen glaubte.
Er folgte seiner Frau fast durch den ganzen St. James’s Park, als es ihm plötzlich wieder einfiel. Er sah auf die Uhr, rannte auf die Straße zurück, warf sich in ein Taxi und rief: »Zum Unterhaus, so schnell Sie können.« Der Fahrer brauchte sieben Minuten, und Charles gab ihm zwei Pfund. Er raste die Treppe zur Mitgliederlobby hinauf und kam atemlos im Sitzungssaal an.
Der Vorsitzende des Finanzausschusses, den Amtsstab vor sich auf dem Tisch, wandte sich an das gedrängt volle Haus und las vor: »Ja zur Rechten: 294. Nein zur Linken: 293. Ja hat gewonnen. Ja hat gewonnen.«
In den Regierungsbänken herrschte Jubel, die Konservativen sahen niedergeschlagen drein. »Worüber wurde abgestimmt?« fragte Charles, immer noch atemlos, den Aufsichtsbeamten.
»Klausel 110, Mr. Seymour.«
VIERTES BUCH 1977 – 1989 DAS KABINETT
22
Raymonds zweite Reise in die Staaten erfolgte auf Wunsch des Staatssekretärs im Handelsministerium. Nachdem Großbritannien im November ein Kredit gewährt worden war, sollte er dem Internationalen Währungsfonds die ExportImportsituation des Landes schildern. Seine Mitarbeiter gingen die vorbereitete Rede immer wieder mit ihm durch und betonten die Verantwortung, die man ihm übertragen hatte. Sogar das Privatbüro des Präsidenten der Bank of England wurde zu Rate gezogen.
»Endlich eine Chance, ein paar Leute außerhalb von Leeds zu beeindrucken«, versicherte ihm Kate.
Raymonds Rede war für Mittwoch morgen angesetzt. Er kam am Sonntag in Washington an und verbrachte die folgenden zwei Tage damit, den Problemen der Handelsminister anderer Staaten zuzuhören und sich an die schrecklichen Kopfhörer und die Stimme der Dolmetscherin zu gewöhnen.
Die meisten führenden Industrienationen waren bei der Konferenz vertreten, und der britische Botschafter, Sir Peter Ramsbotham, versicherte Raymond bei einem Dinner in der Botschaft, hier biete sich eine echte Gelegenheit, die starrköpfigen Bankiers zu überzeugen, daß Großbritannien die Wirtschaft im Griff habe und finanzielle Unterstützung verdiene.
Bald stellte Raymond fest, daß es einer anderen Methode bedurfte, eine solche Versammlung zu überzeugen; es genügte nicht, sich, wie in Leeds, auf eine Kiste zu stellen und eine Rede zu halten; es war auch anders als im Unterhaus. Er war froh, daß er nicht für den Eröffnungstag vorgesehen war. Während verschiedener ruhiger Mittagessen erneuerte er seine Kontakte zu Kongreßabgeordneten und lernte neue Leute kennen.
In der Nacht vor seiner Rede konnte Raymond nicht schlafen. Immer wieder probte er jeden wichtigen Satz und wiederholte die wesentlichen Punkte, bis er sie fast auswendig wußte. Um drei Uhr morgens ließ er das Redemanuskript zu Boden fallen und rief Kate an.
»Ich würde deine Rede bei der Konferenz gern mitanhören«, sagte sie, »obwohl sie nicht viel anders sein wird als bei den dreißig Mal, die ich sie im Schlafzimmer gehört habe.«
Nachdem er Kate Lebewohl gesagt hatte, fiel er in tiefen Schlaf. Am frühen Morgen las er die Rede noch ein letztesmal durch, dann fuhr er zum Konferenzzentrum.
Die viele Arbeit und die langen Vorbereitungen hatten sich gelohnt. Als er zur letzten Seite kam, war Raymond zwar nicht sicher darüber, wie überzeugend er geklungen
Weitere Kostenlose Bücher