Archer Jeffrey
besteht nicht die geringste Chance, daß der Premier auch nur einen Satz der Vorlage über die Gewerkschaften ändert.« Der Fraktionschef leerte sein Glas Gin Tonic. »Am Parteitag versprach er, den Antrag einzubringen, und wenn er Ende des Jahres in Blackpool ist, will er die Vollzugsmeldung verkünden. Ich kann Ihnen auch sagen, daß er Ihre Schlußfolgerung über Alec Pimkin nicht gern hören wird. Die Gewerkschaftsreform ist ihm fast ebenso wichtig wie der Eintritt in die EWG.« Charles wollte protestieren. »Ich beklage mich nicht, Sie haben sich bisher gut geschlagen. Bearbeiten Sie weiter die fünfzig Ungewissen. Mit Drohungen, Bestechung, Freundlichkeit – versuchen Sie, was Sie wollen, aber bringen Sie sie, einschließlich Pimkin, auf die richtige Seite, bis zur Wahl!«
»Wie wäre es mit etwas Sex?« fragte Charles.
»Sie haben zu viele amerikanische Filme gesehen«, sagte der Fraktionschef lachend.
Charles kehrte in sein Büro zurück und prüfte nochmals seine Liste. Sein Finger hielt bei »P« inne. Charles schlenderte in den Wandelgang und sah sich um; der Gesuchte war nicht zu sehen. Er schaute in den Sitzungssaal. Nichts. Er ging an der Bibliothek vorbei. »Hier brauche ich ihn nicht zu suchen«, dachte er und begab sich in das Rauchzimmer, wo der Gesuchte eben ein weiteres Glas Gin bestellen wollte.
»Alec«, sagte Charles voll Herzlichkeit.
Der wohlbeleibte Mann sah sich nach ihm um.
Zuerst versuche ich es mit Bestechung, dachte Charles. »Darf
ich dir einen Drink bestellen?«
»Eine gute Idee, alter Knabe«, sagte Pimkin und zupfte nervös
an seiner Krawatte.
»Was höre ich, Alec, du willst gegen Europa stimmen?«
Simon war entsetzt, als er das erste Dokument las. Die Bedeutung war sonnenklar.
Man hatte ihm den Bericht der Boundary Commission, des »Grenzausschusses«, zur Begutachtung in das rote Portefeuille gelegt. Bei einer Sitzung im Innenministerium hatte er versprochen, die Vorschläge so rasch wie möglich durchzubringen, um bei den nächsten Wahlen eine Basis für die umstrittenen Sitze zu haben. Wie der Staatssekretär sagte: »Keine Verzögerungen.«
Simon las das Dokument sehr sorgfältig. Im Grund waren die Änderungen vernünftig; weil viele Familien aus städtischen in ländliche Gebiete übersiedelten, würde es mehr Chancen für die Konservativen geben. Kein Wunder, daß die Partei keine Verzögerung wünschte. Aber was konnte er gegen die Entscheidung des Ausschusses bezüglich seines eigenen Wahlkreises tun? Ihm waren die Hände gebunden. Schlüge er eine Änderung vor, würde man ihn zu Recht einer Schiebung beschuldigen.
Da die Einwohnerzahl der Stadt zurückging, empfahl der Ausschuß, die vier Wahlkreise von Coventry auf drei zu reduzieren: Coventry Central sollte verschwinden, und die Wähler auf Coventry West, East und North aufgeteilt werden. Damit blieben ein sicherer Sitz für Simons Kollegen und zwei sichere Labour-Sitze. Er hatte immer gewußt, daß er einen sehr gefährdeten Wahlkreis vertrat; jetzt sah es so aus, als würde er gar keinen mehr haben. Er würde auf der Suche nach einem neuen Sitz kreuz und quer durchs Land reisen und gleichzeitig für seine Wähler in dem gefährdeten Wahlkreis sorgen müssen. Und durch einen Federstrich – seinen Federstrich – würden sie einem anderen Mann ihr Vertrauen schenken. Wäre er nur bei der Umwelt-Kommission geblieben, dann hätte er darum kämpfen können, die vier Sitze beizubehalten.
Elizabeth hörte sein Problem mit Bedauern an, riet ihm jedoch, sich nicht zu große Sorgen zu machen, bevor er mit dem stellvertretenden Parteiobmann gesprochen hätte, der die Kandidaten darauf hinwies, welche Wahlkreise frei werden könnten.
»Vielleicht ist es sogar ein Vorteil für uns«, fügte sie hinzu. »Was meinst du damit?«
»Du könntest zum Beispiel in der Nähe von London einen
sicheren Sitz bekommen.«
»Bei meinem Glück werde ich schließlich einen unsicheren in
Newcastle haben.«
Elizabeth kochte ihm seine Lieblingsspeise und versuchte, ihn
aufzuheitern. Nach drei Portionen Fleischpastete schlief er ein,
sobald er im Bett lag. Elizabeth aber fand lange keinen Schlaf. Das Gespräch mit dem Direktor der gynäkologischen Klinik
ging ihr nicht aus dem Kopf. Obwohl sie Simon nichts davon
erzählt hatte, erinnerte sie sich an jedes Wort des Chefs. »Ich muß feststellen, daß Sie sich mehr Tage frei genommen
haben, als Ihnen zustehen, Dr. Kerslake. Sie müssen sich
entscheiden, ob sie Ärztin sein wollen
Weitere Kostenlose Bücher