Archer Jeffrey
die Akte der Bank über die Richmond-Gruppe.
Als Matthew einige Tage später in Boston ankam, um seine Stellung als Direktor der Anlageabteilung der Bank anzutreten, war William hocherfreut. Charles Lester machte kein Geheimnis aus der Tatsache, daß alle in einer anderen Bank gewonnenen Erfahrungen seinem Sohn nur nützlich sein konnten; schließlich sollte er ja eines Tages Präsident der Lester Bank werden. Williams Arbeitspensum wurde durch Matthews Ankunft sofort auf die Hälfte reduziert, dafür wurde er - zu seinem gespielten Entsetzen - in jedem freien Moment auf Tennisplätze und in Swimmingpools geschleppt; nur Matthews Vorschlag, einen Skiausflug nach Vermont zu unternehmen, wurde mit einem entschiedenen Nein abgelehnt; alle anderen Aktivitäten aber halfen William, seine Einsamkeit besser zu ertragen und die Ungeduld, wieder mit Kate beisammen zu sein.
Matthew war voll des ungläubigen Staunens.
»Ich muß die Frau kennenlernen, die einen William Kane dazu bringt, während einer Vorstandssitzung vor sich hinzuträumen, wenn es um die Frage geht, ob die Bank weitere Goldeinkäufe tätigen soll.«
»Warte, bis du sie kennenlernst, Matthew. Ich glaube, dann wirst du meiner Meinung sein: sie ist eine bessere Investition als alle Goldbarren.«
»Das glaube ich dir. Ich will nur nicht derjenige sein, der es Susan mitteilt; sie glaubt immer noch, du seist der einzige Mann auf der Welt.«
William lachte. Das war ihm nie in den Sinn gekommen. Der kleine Stapel von Kates Briefen, der jede Woche etwas größer wurde, lag in einer verschlossenen Schreibtischlade im Red House. William las die Briefe wieder und wieder und konnte bald alle auswendig. Endlich kam der Brief, auf den er gewartet hatte.
Buckhurst Park, 14. Februar 1930 Liebster William, endlich habe ich hier alles gepackt, verkauft oder verschenkt und werde am 19 . in einer Teekiste in Boston ankommen. Beinahe habe ich Angst, Dich wiederzusehen. Was tun wir, wenn dieses herrliche Märchen wie eine Seifenblase zerplatzt? Lieber Gott, ich hoffe nicht. Ich weiß nicht, wie ich diese einsamen Monate überstanden hätte, wenn Du nicht wärst. In Liebe, Kate
Am Abend vor Kates Ankunft gelobte sich William, daß er sie nicht zu etwas drängen wolle, das einer von ihnen später bereuen könnte. Er konnte nicht beurteilen, wie sich ihre Gefühle entwickelt hatten - schließlich befand sie sich nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes in einer Art von Übergangsstadium, erklärte er Matthew.
»Hör auf, so unsicher zu sein«, erwiderte Matthew. »Du bist verliebt, und damit mußt du dich abfinden.«
Als William Kate auf dem Bahnhof sah, war er nahe daran, alle vorsichtigen Vorsätze sofort fallenzulassen; zu groß war seine Freude, ihr Lächeln aufleuchten zu sehen. Er drängte sich durch die Menge und nahm sie so fest in die Arme, daß sie kaum atmen konnte.
»Willkommen zu Hause, Kate.«
William wollte sie küssen, aber sie zog sich zurück. Er war ein wenig erstaunt.
»William, ich glaube nicht, daß du meine Eltern kennst.«
An diesem Abend speiste William mit Kates Familie, und dann sah er Kate jeden Tag, wann immer er sich von der Bank und Matthews Tennisschläger freimachen konnte, zumindest für ein paar Stunden. Als Matthew Kate kennenlernte, bot er William alle seine Goldaktien im Austausch für Kate.
»Ich verkaufe nie zu billig«, erwiderte William.
»Dann mußt du mir wenigstens sagen«, beharrte Matthew, »wo man so etwas wie Kate finden kann.«
»In der Ausverkaufsabteilung, wo sonst?« erwiderte William mit einem breiten Lächeln.
»Mach sie sofort zu einem Aktivposten, William, denn wenn du es nicht tust, werde ich es tun.«
Die Verluste von Kane and Cabot im Börsenkrach von 1929 beliefen sich auf über sieben Millionen Dollar netto - das entsprach, wie sich zeigte, ungefähr dem Durchschnittsverlust einer Bank dieser Größe. Einige etwas kleinere Banken waren zugrunde gegangen, und 1930 mußte William große Anstrengungen machen, die Bank über Wasser zu halten.
Als Franklin D. Roosevelt mit einem Reformprogramm zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, war William besorgt, daß der New Deal Kane and Cabot wenig bieten würde. Die Wirtschaftslage besserte sich nur langsam, und William zögerte, zu expandieren.
Inzwischen hatte Tony Simmons die Aktivitäten der Londoner Bank erweitert und konnte in den ersten zwei Jahren gute Gewinne ausweisen. Verglichen mit William, dem es im gleichen Zeitraum nur mit Mühe gelang,
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