Archer Jeffrey
stalinistischen Rußland; er forderte alle auf, unermüdlich für die nationale Unabhängigkeit der Heimat zu kämpfen. Abel wollte gern glauben, daß Polen eines Tages wieder frei sein, ja, daß er vielleicht sogar noch zu Lebzeiten sein Schloß zurückerhalten würde, aber nach Stalins Erfolg in Jalta schien diese Hoffnung nicht mehr realistisch.
Der General erinnerte die Gäste, daß die amerikanischen Polen pro Kopf mehr Geld für den Krieg gespendet und mehr Leben verloren hatten als jede andere Volksgruppe in den Vereinigten Staaten. »… Wie viele Amerikaner wissen, daß Polen sechs Million Menschen verloren hat, während die Tschechoslowakei nur hunderttausend verlor. Einige Beobachter behaupten, wir wären töricht gewesen, nicht zu kapitulieren, als wir wissen mußten, daß wir geschlagen waren. Wie kann eine Nation, die Kavallerie gegen deutsche Panzer einsetzte, jemals wissen, daß sie geschlagen ist? Meine Freunde, ich sage euch, wir sind auch heute nicht geschlagen.«
Lauter Applaus von allen Polen im Saal.
Es stimmte Abel traurig, daß die Amerikaner immer noch über die polnischen Kriegsanstrengungen lachten und noch mehr über einen polnischen Helden. Der General wartete, bis es wieder ruhig wurde, dann erzählte er den aufmerksam zuhörenden Gästen, wie Abel in der Schlacht von Remagen eine Gruppe von Männern angeführt hatte, die tote oder verwundete Soldaten zurückbrachte. Als der General seine Ansprache beendet hatte und sich niedersetzte, standen alle Veteranen auf und jubelten den beiden Männern zu. Florentyna war sehr stolz auf ihren Vater.
Abel war erstaunt, als die Geschichte in den Morgenblättern stand, denn polnische Leistungen wurden kaum je in einer anderen Zeitung als dem Dziennik Zwiazkowy wahrgenommen. Wäre er nicht der Chikago-Baron gewesen, hätte die Presse vermutlich kein Wort verlauten lassen. Abel sonnte sich in seinem neuen Ruhm als amerikanischer Held und verbrachte fast den ganzen Tag damit, sich von Reportern fotografieren und interviewen zu lassen. Am Abend fühlte er sich irgendwie niedergeschlagen; der General war nach Los Angeles weitergeflogen, Florentyna in ihre Schule in Lake Forest zurückgekehrt, George befand sich in Chikago, und Henry Osborne in Washington. Das Hotel schien groß und verlassen, und er hatte wenig Lust, zu Zaphia nach Chikago zu fahren.
Er beschloß, früh zu Abend zu essen und die Wochenberichte der anderen Hotels zu studieren, bevor er sich in das Penthouse neben seinem Büro zurückzog. Er aß selten allein in seiner Suite, weil er jede Gelegenheit wahrnahm, sich in einem der Speisesäle servieren zu lassen; es war der beste Weg, fortwährend mit dem Hotelleben in Fühlung zu bleiben. Je mehr Hotels er baute, desto mehr fürchtete er, den Kontakt mit dem Personal zu verlieren.
Er fuhr hinunter in die Halle und erkundigte sich bei der Rezeption, wie viele Gäste heute abgestiegen waren, wurde jedoch von einer auffallend hübschen Frau abgelenkt, die eben ihre Anmeldekarte ausfüllte. Er hätte schwören können, daß er das Profil kannte, war sich aber seiner Sache nicht ganz sicher. Mitte Dreißig, dachte er. Als sie fertiggeschrieben hatte, drehte sie sich um und schaute ihn an.
»Abel«, sagte sie. »Wie schön, dich wiederzusehen.«
»Mein Gott, Melanie, ich habe dich fast nicht wiedererkannt.«
»Niemand würde dich nicht wiedererkennen, Abel.«
»Ich wußte nicht, daß du in New York bist.«
»Nur für eine Nacht. Ich bin geschäftlich hier für meine Zeitschrift.«
»Bist du Reporterin?« fragte Abel ungläubig.
»Nein, ich bin Finanzberaterin für eine Gruppe von Zeitschriften, deren Zentrale in Dallas ist. Ich wurde für ein Marktforschungsprojekt nach New York geschickt.«
»Klingt sehr beeindruckend.«
»Das ist es nicht«, sagte Melanie, »aber es bewahrt mich vor Dummheiten.«
»Hast du zufällig Zeit, mit mir zu Abend zu essen?«
»Was für eine nette Idee, Abel. Aber ich muß ein Bad nehmen und mich umziehen. Kannst du so lange warten?«
»Natürlich. Wann immer du fertig bist, erwarte ich dich im großen Speisesaal. Sagen wir in etwa einer Stunde?«
Sie lächelte zustimmend und folgte einem Liftboy zum Fahrstuhl. Als sie vorüberging, sog er den Duft ihres Parfüms ein.
Abel verbrachte die Stunde damit, sich zu vergewissern, daß auf seinem Tisch frische Blumen standen, und in der Küche wählte er die Speisen, die er für Melanie bestellen wollte. Als er gar nichts mehr zu tun fand, setzte er sich an den Tisch. Immer
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