Archer Jeffrey
vor dir hast.«
»Ich möchte nur meine Zeit als Präsident vollenden und erleben, daß Richard meinen Platz im Vorstand einnimmt. Das genügt mir. Warum fliegst du nicht wieder hinüber und richtest Richard meinen Wunsch selbst aus?«
»Was meinst du mit wieder?« fragte Kate unsicher.
William lächelte. »Ich weiß, daß du bereits mehrmals in San Franzisko warst, mein Liebes. Wann immer ich in den letzten Jahren auf Geschäftsreisen war, gabst du vor, deine Mutter zu besuchen. Als sie letztes Jahr starb, wurden deine Ausreden immer unglaubwürdiger. Du bist immer noch so bezaubernd wie damals, als wir uns kennenlernten, aber ich glaube doch, daß du mit vierundfünfzig wahrscheinlich keinen Liebhaber hast. Also war es nicht schwer, sich
auszurechnen, daß du bei Richard warst.«
»Ja, ich war bei ihm«, sagte Kate. »Warum hast du nie gesagt, daß du es wußtest?«
»Im Innersten war ich froh darüber«, sagte William. »Ich wollte nicht, daß er den Kontakt mit uns beiden verliert. Wie geht es ihm?« »Es geht beiden gut, und jetzt hast du nicht nur einen Enkel, sondern auch eine Enkelin.«
»Nicht nur einen Enkel, sondern eine Enkelin«, wiederholte William.
»Ja, sie heißt Annabel«, berichtete Kate.
»Und mein Enkel?« fragte William zum erstenmal.
Als Kate ihm den Namen sagte, mußte er lächeln. Es war nur eine
halbe Lüge.
»Gut«, sagte William. »Also flieg nach San Franzisko und sieh, was du ausrichtest. Sag ihm, daß ich ihn liebe.«
Das hatte er einmal einen anderen alten Mann sagen gehört, der bald darauf seinen Sohn verlor.
Kate war an diesem Abend glücklicher als seit vielen Jahren. Sie rief Richard an, um ihm zu sagen, daß sie nächste Woche zu Besuch käme und gute Nachrichten brächte.
Als Kate drei Wochen später nach New York zurückkehrte, freute sich William über die Nachricht, daß Richard und Florentyna Ende November kämen; es war die erste Möglichkeit für sie, gemeinsam fortzufahren. Kate erzählte immer und immer wieder, wie erfolgreich die beiden waren, wie der junge William Kane seinem Großvater glich und wie sich alle darauf freuten, zu Besuch nach New York zu kommen. William hörte sehr aufmerksam zu und stellte fest, daß er glücklich war und seinen Frieden gefunden hatte. Er hatte Angst gehabt, daß Richard, wenn er nicht bald käme, nie mehr nach Hause zurückkehren würde. Damit wäre das Amt des Präsidenten Jake Thomas in den Schoß gefallen. Das wollte sich William nicht vorstellen.
Am folgenden Montag kehrte William nach langer Abwesenheit gut gelaunt in die Bank zurück. Er hatte sich von seinem zweiten Anfall völlig erholt und wußte jetzt, daß er etwas hatte, wofür es sich zu leben lohnte.
»Sie müssen Ihr Arbeitspensum ein wenig einschränken«, hatte ihm der kluge junge Arzt geraten, aber William war entschlossen, wieder fest die Zügel in die Hand zu nehmen, um den Platz für seinen einzigen Sohn zu sichern. Bei seiner Ankunft wurde er vom Portier begrüßt, der ihm mitteilte, daß Jake Thomas ihn suche und bereits zu Hause zu erreichen versucht hatte. William dankte dem ältesten Angestellten der Bank, dem einzigen, der Lester länger gedient hatte als der Präsident selbst.
»Nichts ist so wichtig, daß es nicht warten kann«, sagte er. »Ganz richtig, Sir.«
William ging langsam in sein Büro. Als er die Türe öffnete, fand er
drei seiner Direktoren in ein Gespräch vertieft, und Jake Thomas saß auf seinem Platz.
»War ich so lange fort?« fragte William lachend. »Bin ich nicht mehr Präsident der Bank?«
»Natürlich sind Sie das. Willkommen, William«, sagte Thomas Jake und verließ rasch den Stuhl des Präsidenten.
William konnte sich nicht daran gewöhnen, das Jake Thomas ihn beim Vornamen nannte. Die neue Generation war einfach zu unkonventionell. Sie kannten einander erst ein paar Jahre, und der Mann war bestimmt nicht älter als vierzig.
»Wo gibt es Probleme?« fragte William.
»Abel Rosnovski«, sagte Jake Thomas ausdruckslos.
William spürte ein ungutes Gefühl in der Magengegend und setzte sich auf den nächsten Stuhl.
»Was will er diesmal?« fragte er matt. »Will er mir nicht erlauben, meine Tage in Frieden zu beenden?«
Jake Thomas stand auf und ging auf William zu.
»Er beabsichtigt, Paragraph 7 in Anspruch zu nehmen und eine Konferenz mit dem einzigen Zweck einzuberufen, Sie als Präsident abzusetzen.«
»Nein«, sagte William. »Ich habe alle Aktien fortwährend kontrollieren lassen. Niemand
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