Archer Jeffrey
sein Gefolge dreizehn todkranke Bedienstete und seine einzige Liebe Florentyna.
Er kehrte wieder zur Alltagsroutine zurück, die, so schien es ihm, ewig weitergehen würde. Der Winter 1918 neigte sich langsam dem Ende zu. An einem milden, trockenen Tag hörten die Gefangenen eine Gewehrsalve und den Lärm eines kurzen Kampfes. Wladek war überzeugt, daß die polnische Armee gekommen sei, um ihn zu befreien, so daß er sein rechtmäßiges Erbe antreten können würde. Als die deutschen Wärter die eisernen Kerkertüren verließen, zogen sich die Gefangenen in angstvollem Schweigen in die tiefer gelegenen Räume zurück. Wladek stand allein am Eingang, spielte mit dem Silberreif an seinem Handgelenk und wartete triumphierend auf die Befreier. Schließlich erschienen diejenigen, die die Deutschen besiegt hatten; sie sprachen jene harte slawische Sprache, die Wladek aus der Schulzeit kannte und mehr zu fürchten gelernt hatte als das Deutsche. Wladek und seine Leute wurden ohne viel Umstände in den Gang geschleift. Die Gefangenen warteten eine Weile, dann wurden sie flüchtig inspiziert und wieder in den Kerker zurückgestoßen. Die neuen Sieger ahnten nicht, daß dieser zwölfjährige Junge Herr war über alles, soweit das Auge reichte. Sie sprachen nicht seine Sprache und sie hatten einen klaren, eindeutigen Befehl: jene zu töten, die sich gegen den Vertrag von Brest-Litowsk auflehnten, der ihnen diesen Teil Polens zugesichert hatte; die anderen auf Lebenszeit in das Lager 201 zu senden. Die Deutschen hatten sich hinter ihre neuen Grenzen zurückgezogen, während Wladek und seine Leute voller Hoffnung auf ein neues Leben warteten und nicht ahnten, was ihnen bevorstand.
Nach zwei weiteren Nächten im Kerker fand sich Wladek mit dem Gedanken ab, wieder lange Zeit eingesperrt zu werden. Die neuen Wächter sprachen kein Wort mit ihm, und das Leben glich jenem vor drei Jahren; Wladek merkte, daß die Disziplin, die unter den Deutschen allmählich nachgelassen hatte, jetzt wieder eisern war.
Am Morgen des dritten Tages wurden die Gefangenen zu Wladeks Erstaunen auf den Rasen vor das Schloß geschleift - fünfzehn ausgemergelte, schmutzige Gestalten. Zwei der Bediensteten brachen im ungewohnten Sonnenlicht zusammen. Auch Wladek konnte die plötzliche Helligkeit nur schwer ertragen und mußte die Augen abschirmen. Die Gefangenen standen schweigend im Gras und warteten auf die Befehle der Soldaten. Man befahl ihnen, die Kleider abzulegen und sich im Fluß zu waschen. Wladek versteckte den Silberreif in seinen Kleidern und lief zum Flußufer; noch bevor er es erreicht hatte, versagten ihm die Beine beinahe den Dienst. Er sprang in das eisige Wasser, rang nach Atem und genoß gleichzeitig das herrliche Gefühl, Wasser auf der Haut zu spüren. Die übrigen Gefangenen folgten ihm und versuchten vergebens, sich einer dreijährigen Schmutzschicht zu entledigen.
Als Wladek erschöpft aus dem Fluß kam, bemerkte er, daß einige der Wächter Florentyna, die sich ebenfalls wusch, seltsam anstarrten. Die anderen Frauen schienen nicht das gleiche Interesse zu erwecken. Einer der Wächter, ein großer häßlicher Mann, der Florentyna nicht aus den Augen gelassen hatte, packte sie am Arm und warf sie zu Boden. Dann begann er rasch und gierig seine Kleider auszuziehen und sie ordentlich gefaltet ins Gras zu legen. Ungläubig starrte Wladek auf den dicken aufgerichteten Penis des Mannes, dann warf er sich auf den Kerl, der Florentyna niederhielt, und traf ihn mit dem Kopf mitten in die Magengrube. Der Mann taumelte zurück, ein zweiter Soldat sprang vor und drehte Wladek die Arme auf den Rücken. Der Zwischenfall machte die anderen Soldaten neugierig, und sie kamen herbeigeschlendert. Der Mann, der Wladek umklammerte, lachte jetzt ein tiefes Lachen ohne jede Freundlichkeit. Die Worte der anderen Soldaten verstärkten Wladeks Verzweiflung.
»Da kommt der große Beschützer«, sagte der erste.
»Kommt, um die Ehre seiner Nation zu verteidigen«, der zweite. »Er soll einen guten Platz haben zum Zuschauen.«
Das war der Mann, der ihn festhielt.
Weitere Bemerkungen, die Wladek nicht alle verstand, wurden von
Gelächter unterbrochen. Er schaute zu, wie sich der nackte, gut genährte Soldat Florentyna näherte, die aufschrie. Wieder versuchte Wladek sich freizukämpfen, aber die Arme des Soldaten hielten ihn eisern fest. Der nackte Mann ließ sich ungeschickt auf Florentyna fallen, küßte sie und schlug sie, als sie sich befreien wollte.
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