Archer Jeffrey
Hotels von Boston in Bahnhofsnähe befanden, so daß man weder ein Taxi noch einen der wenigen vorhandenen Pferdewagen brauche. Er würde das Gepäck um zwanzig Prozent des Preises, den die Taxis verlangten, auf seinem fahrbaren Brett zum Hotel bringen. Auch sei ein Spaziergang sehr gesund. Er stellte fest, daß er in sechs Arbeitsstunden rund vier Dollar verdienen konnte.
Fünf Tage vor Schulanfang hatte er seine Verluste wettgemacht und zehn Dollar verdient. Da stieß er auf ein Problem. Die Taxifahrer begannen sich über ihn zu ärgern. William mit seinen neun Jahren versprach ihnen, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen, wenn ihm jeder von ihnen fünfzig Cents gäbe, um die Kosten seines selbst angefertigten Handwagens hereinzubringen. Sie willigten ein, und er verdiente weitere acht Dollar fünfzig Cents. Auf dem Nachhauseweg verkaufte William einem zwei Jahre älteren Schulfreund seinen Handwagen um fünf Dollar. Leider mußte dieser bald feststellen, daß das große Geschäft vorbei war. Überdies regnete es die ganze folgende Woche.
Am letzten Ferientag trug William sein Geld wieder zur Bank und legte es, zu zweieinhalb Prozent verzinst, an. Jetzt machte er sich keine Sorgen mehr, denn sein Sparkonto wuchs ständig. Der Untergang der Lusitania und Wilsons Kriegserklärung an Deutschland im April 1917 kümmerten William nicht. Nichts und niemand konnte Amerika schlagen, versicherte er seiner Mutter. Um seiner Überzeugung Nachdruck zu verleihen, legte William sogar zehn Dollar in Liberty Bonds an.
An Williams elften Geburtstag wies die Habenspalte seines Kassenbuches einen Gewinn von vierhundertzwölf Dollar aus. Er schenkte seiner Mutter eine Füllfeder und kaufte jeder der Großmütter in einem kleinen Juwelierladen eine Brosche. Die Füllfeder war eine Parker, und die Broschen kamen in Schachteln von Shreve, Crump and Low an, die er nach langem Suchen in den Abfallkübeln hinter dem berühmten Geschäft gefunden hatte. Man muß gerecht sein; der Junge hatte nicht die Absicht, die Großmütter zu beschwindeln; er hatte jedoch aus seinen Geschäften mit den ZündholzschachtelEtiketten gelernt, wie wichtig eine gute Verpackung ist. Die Großmütter, die die fehlenden Echtheitsstempel von Shreve, Crump und Low vermißten, trugen ihre Broschen trotzdem mit großem Stolz.
Die beiden alten Damen verfolgten jedes Detail von Williams Entwicklung und beschlossen, ihn mit zwölf Jahren, wie vorgesehen, in die St. Paul’s School in Concord, New Hampshire, zu schicken. Überdies gewann William als bester in Mathematik ein Stipendium und ersparte der Familie ganz unnötigerweise etwa dreihundert Dollar pro Jahr. William nahm das Stipendium an, und die Großmütter überließen das Geld einem »weniger vom Glück begünstigten Kind«, wie sie es ausdrückten. Anne war unglücklich, daß William sie verließ und in ein Internat kam, aber die Großmütter bestanden darauf; und, was noch wichtiger war, es war das, was Richard gewollt hätte. Anne nähte Namensschilder an Williams Siebensachen, markierte seine Schuhe, kontrollierte die Garderobe und packte schließlich ohne Hilfe der Dienstboten persönlich einen Schrankkoffer. Bei der Abreise fragte sie William, wieviel Taschengeld er für das nächste Semester haben wolle.
»Gar keins«, erklärte er ohne nähere Erklärung.
William küßte die Mutter auf die Wange; wie sehr sie ihn vermissen würde, ahnte er nicht. In seiner ersten langen Hose, das Haar sehr kurz geschoren, einen kleinen Koffer in der Hand, so marschierte er den Pfad entlang zu Roberts, dem Chauffeur. Er setzte sich auf den Rücksitz des Rolls-Royce, und der Wagen fuhr ab. William drehte sich nicht um. Seine Mutter winkte und winkte, und später weinte sie. Auch William hätte gern geweint, aber er wußte, daß sein Vater das nicht gebilligt hätte.
Das erste, was William Kane in der neuen Schule auffiel, war, daß niemand sich darum kümmerte, wer er war. Die bewundernden Blicke, das schweigende Zur-Kenntnis-Nehmen seiner illustren Gegenwart hatten aufgehört. Ein älterer Junge fragte ihn tatsächlich, wer er war; und, schlimmer noch, als er hörte, wen er da vor sich hatte, schien er nicht beeindruckt zu sein. Manche nannten ihn sogar Bill, was er sich mit der Erklärung verbat, daß niemand seinen Vater Dick genannt habe.
Williams neues Reich war ein kleines Zimmer mit einem Bücherregal aus Holz, zwei Tischchen, zwei Stühlen, zwei Betten und einem bequemen, schäbigen Ledersofa. Er teilte
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