Archer Jeffrey
hörte es nicht mehr.
»Irgendein Verrückter«, sagte die Sekretärin zu Senator Stevenson.
»Jeder, der alle Verhandlungen nachlesen will, muß ein Narr sein«, bemerkte der Senator und starrte auf das Papierbündel, das Mark zurückgelassen hatte.
Mark ging direkt zu Zimmer G-211, wo er am Vortag mit Leykam gegessen hatte. Auf der Tür stand »Speisesaal. Nur für Senatsangestellte«. Nur zwei, drei Bedienstete waren zu sehen.
»Entschuldigen Sie bitte, könnten Sie mir sagen, wo die Senatoren heute essen?«
»Tut mir leid, das weiß ich nicht. Fragen Sie die Hosteß. Wir machen eben sauber.«
»Wo kann ich die Hosteß finden?«
»Sie ist nicht mehr hier. Kommen Sie morgen wieder, dann wird sie Ihnen Auskunft geben.«
»Okay«, seufzte Mark. »Noch etwas – gibt es einen zweiten Speisesaal im Senat?«
»Ja, den großen im Kapitol, S-109. Aber dort läßt man Sie nicht rein.«
Mark lief zum Fahrstuhl zurück und wartete ungeduldig. Als er das Kellergeschoß erreichte, stieg er aus und begab sich zum Eingang der labyrinthartigen Tunnels, die alle Bürogebäude des Kapitols miteinander verbinden. An einem Tabakladen vorbei lief er auf eine große Tafel zu; Zubringer zum Kapitol. Das Fahrzeug, ein offener Zug mit Abteilen, fuhr eben ab. Mark sprang ins letzte Abteil und setzte sich zu einigen Senatsangestellten, die mit dem typischen Gehaben von Insidern über irgendeine Vorlage schwatzten.
Ein paar Sekunden später signalisierte eine Glocke die Ankunft, und der Zug hielt an der Senatsseite des Kapitols. Angenehmes Leben, dachte Mark. Diese Leute müssen nie in die kahle, grausame Welt hinaus. Sie fahren einfach zwischen Verhandlungen und Abstimmungen hin und her. Das Kellergeschoß auf dieser Seite sah ebenso aus wie das auf der anderen Seite – schmutziggelb mit freiliegenden Leitungen. Und einem Pepsi-ColaAutomaten. Es mußte eine bittere Schlappe für Coca-Cola gewesen sein, daß Pepsi die Konzession für den Senat bekommen hatte. Mark lief die kleine Rolltreppe hinauf und wartete auf den Besucherlift, während ein paar Mä nner mit wichtiger Miene zum Fahrstuhl »Nur für Senatoren« geleitet wurden.
Mark stieg im Erdgeschoß aus und blickte sich verwirrt um. Nichts als Marmorbögen und Korridore. Wo war der Speisesaal?
Er fragte einen der Wachebeamten.
»Gehen Sie geradeaus, dann den ersten Gang nach links. Einen schmalen Gang.« Er wies in die Richtung.
Mark dankte ihm über die Schulter; er hatte es eilig. Er fand den engen Korridor, ging an den Küchen vorbei und sah ein Schild »Privat – nur für die Presse«. Direkt vor ihm hing ein anderes Schild: »Nur für Senatoren«. Eine offene Tür zur Rechten führte in eine Vorhalle; Kronleuchter, ein rosafarben gemusterter Teppich, grüne Lederfauteuils, darüber ein riesiges buntes Deckengemälde. Durch eine andere Tür erspähte Mark weiße Tischtücher und Blumen – die Welt der vornehm Speisenden. Eine ältere Dame erschien in der Tür.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte sie mit fragend hochgezogenen Brauen.
»Ich schreibe eine Arbeit über den Tagesablauf der Senatoren.« Mark nahm seine Brieftasche heraus und zeigte ihr seinen Yale-Ausweis. Das abgelaufene Datum verdeckte er mit dem Daumen.
Die Dame war nicht übermäßig beeindruckt.
»Ich möchte nur den Saal anschauen. Um die Atmosphäre zu spüren, in der die Senatoren speisen.«
»Im Moment sind keine Senatoren hier. So spät an einem Mittwoch ist fast nie jemand hier. Die meisten fahren Donnerstag für ein langes Wochenende in ihren Staat. Nur die Vorlage zum Waffenkontrollgesetz hält jetzt noch einige in Washington fest.«
Es war Mark gelungen, bis in die Saalmitte vorzudringen. Eine Kellnerin räumte einen Tisch ab. Sie lächelte ihm zu.
»Quittieren die Senatoren für ihre Mahlzeiten, oder zahlen sie bar?«
»Beinahe alle unterschreiben und zahlen am Monatsende.«
»Wie wird das kontrolliert?«
»Kein Problem. Es wird alles täglich eingetragen.« Sie wies auf ein großes ledergebundenes Buch mit der Aufschrift »Buchhaltung«. Mark wußte, daß dreiundzwanzig Senatoren an jenem Tag hier gegessen hatten, weil er es von den Sekretärinnen erfahren hatte. Hatten noch andere Senatoren hier gegessen, ohne ihre Sekretärinnen davon zu informieren? Er befand sich knapp einen Meter von der Antwort entfernt.
»Könnte ich irgendeinen typischen Tag sehen? Aus reiner Neugier!« fragte er mit einem unschuldigen Lächeln.
»Ich weiß nicht recht, ob ich Sie hineinschauen lassen darf.«
»Nur einen
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