Archer Jeffrey
Flur, wo er ihr in den Mantel half. Er küsste Su Ling auf die Wange und dankte ihr für einen herrlichen Abend. »Es tut mir Leid, dass Julia nach New York zurück muss. Nächstes Mal essen wir bei mir.«
Nat warf Su Ling einen Blick zu und lächelte, aber sie erwiderte das Lächeln nicht.
Nat gluckste, als er die Haustür schloss. »Was für eine Frau!«, sagte er, ging zu Su Ling in die Küche und nahm sich ein Geschirrtuch.
»Sie ist eine Schwindlerin«, verkündete Su Ling.
»Wie meinst du das?«, fragte Nat.
»Genauso wie ich es sage: Sie ist eine Schwindlerin. Falscher Akzent, falsche Kleider und ihre falsche Geschichte war viel zu nett und stimmig. Mach keine Geschäfte mir ihr.«
»Was kann schon schief gehen, wenn sie fünfhunderttausend Dollar bei der Bank deponiert?«
»Ich wette ein Monatsgehalt, dass die fünfhunderttausend nie auftauchen.«
Obwohl Su Ling das Thema an diesem Abend nicht noch einmal anschnitt, bat Nat am nächsten Morgen seine Sekretärin, alle Finanzdaten auszugraben, die sie über Kirkbridge & Company in New York finden konnte. Eine Stunde später kam sie mit deren Jahresbilanz und dem neuesten Kontoauszug zurück. Nat prüfte die Bilanz sorgfältig. Sein Auge fiel auf die unterste Zeile. Sie hatten im vergangenen Jahr einen Profit von etwas über einer Million gemacht und alle Zahlen stimmten mit denen überein, die Julia beim Abendessen genannt hatte. Dann sah er sich den Vorstand an. Mrs Julia Kirkbridge war als Direktorin aufgeführt, direkt unter dem Vorstandsvorsitzenden und dem Geschäftsführer. Er dachte an Su Lings Worte und beschloss, seine Überprüfung noch einen Schritt weiter zu führen. Er wählte die Telefonnummer des New Yorker Büros, ohne dabei seine Sekretärin zu bemühen.
»Kirkbridge & Company, was kann ich für Sie tun?«, meldete sich eine Stimme.
»Guten Morgen, kann ich mit Mrs Kirkbridge sprechen?«
»Tut mir Leid, Sir, sie ist in einer Vorstandssitzung.« Nat sah auf seine Armbanduhr und lächelte. Es war 10 Uhr 25. »Wenn Sie Ihre Rufnummer hinterlassen, wird sie Sie baldmöglichst zurückrufen.«
»Das wird nicht nötig sein.« Nat legte auf. Gleich darauf klingelte es. »Hier Jeb aus der Abteilung neue Konten, Mr Cartwright. Ich dachte mir, Sie würden wissen wollen, dass wir soeben einen Transfer über die Summe von fünfhunderttausend Dollar von Chase erhalten haben, gutzuschreiben dem Konto einer Mrs Julia Kirkbridge.«
Nat konnte nicht anders, als Su Ling anzurufen und ihr die Neuigkeiten zu berichten.
»Sie ist trotzdem eine Schwindlerin«, wiederholte seine Frau.
31
»KOPF ODER ZAHL?«, fragte der Moderator.
»Zahl«, sagte Barbara Hunter.
»Also Zahl.« Der Moderator sah zu Mrs Hunter und nickte.
Fletcher konnte sich nicht beschweren, weil er ohnehin Kopf genommen hätte – das tat er immer –, also fragte er sich nun, wie sie sich entscheiden würde. Würde sie als Erste reden wollen? Denn das würde bedeuten, dass Fletcher als Letzter an diesem Abend zu Wort kam. Andererseits, wenn …
»Ich möchte anfangen«, sagte sie.
Fletcher unterdrückte ein Lächeln. Wenn er gewonnen hätte, hätte er sich entschieden, als Zweiter zu reden.
Der Moderator nahm seinen Platz hinter dem Tisch in der Bühnenmitte ein. Mrs Hunter saß zu seiner Rechten und Fletcher zu seiner Linken, was die Ideologie der beiden Parteien widerspiegelte. Aber die Entscheidung, wo sie sitzen sollten, war das Geringste ihrer Probleme gewesen. In den vergangenen zehn Tagen hatten sie darüber gestritten, wo das Rededuell stattfinden, wann es anfangen und wer der Moderator sein sollte. Sogar über die Höhe der Pulte, von denen aus sie sprechen würden, gab es Auseinandersetzungen, weil Barbara Hunter 168 Zentimeter groß war, Fletcher dagegen 183. Am Ende kam man überein, dass es zwei unterschiedlich hohe Pulte zu beiden Seiten der Bühne geben sollte.
Der Moderator, auf den sie sich geeinigt hatten, war der Leiter der Fakultät für Publizistik der UConn in Hartford. Er erhob sich von seinem Platz.
»Guten Abend, meine Damen und Herren. Ich bin Frank McKenzie und moderiere den heutigen Abend. Der Ablauf gestaltet sich so, dass Mrs Hunter mit einer sechsminütigen Eröffnungserklärung beginnt, gefolgt von Mr Davenport. Ich möchte beide Kandidaten darauf hinweisen, dass ich nach fünf Minuten diese Glocke läuten werde« – er hob eine kleine Glocke auf dem Tisch an und bimmelte mit ihr, was im Publikum zu Heiterkeit führte und die Spannung löste –, »um Sie darauf
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