Archer Jeffrey
Kissen.
»Wie geht es unserem Sohn?«, waren ihre ersten Worte.
»Er sieht umwerfend aus, Mrs Davenport, und er hat Glück, dass er sein Leben mit einer so erstaunlichen Mutter beginnen darf.«
»Sie lassen ihn mich nicht sehen«, erwiderte Annie leise. »Ich möchte ihn doch so gern im Arm halten.«
»Sie haben ihn vorübergehend in einen Brutkasten gelegt«, sagte er sanft, »aber es ist ständig eine Schwester bei ihm.«
»Es kommt mir vor, als läge das Abendessen bei Professor Abrahams Jahre zurück.«
»Ja, eine verrückte Nacht«, stimmte Fletcher zu. »Und ein doppelter Triumph für dich. Erst beeindruckst du den Seniorpartner einer Kanzlei, der ich beitreten möchte, und dann bringst du noch einen Sohn zur Welt, alles an einem Abend. Was kommt als Nächstes?«
»Das ist jetzt alles so unwichtig. Wir müssen uns um ein Kind kümmern.« Sie schwieg kurz. »Harry Robert Davenport.«
»Klingt doch prima«, meinte Fletcher, »und unsere Väter werden beide begeistert sein.«
»Wie sollen wir ihn rufen?«, fragte Annie. »Harry oder Robert?«
»Ich weiß genau, wie ich ihn rufen werde«, sagte Fletcher, als die Schwester in das Zimmer zurückkehrte.
»Ich denke, Sie sollten jetzt etwas schlafen, Mrs Davenport. Es war sehr anstrengend für Sie.«
»Dem kann ich nur zustimmen.« Annie lächelte. Als Fletcher ging, schaltete die Schwester das Licht aus.
Fletcher rannte die Treppe hoch und den Flur entlang. Er wollte sehen, ob der Herzschlag seines Sohnes schon kräftiger war. Durch die Scheibe starrte er auf den Monitor, versuchte, ihn mit purer Willenskraft dazu zu bringen, etwas stärker zu flackern, und redete sich ein, dass ihm das gelungen sei. Fletcher presste die Nase gegen das Glas. »Kämpf weiter, Harry«, flehte er und zählte die Herzschläge pro Minute. Plötzlich war er erschöpft. »Halt durch, du schaffst es.«
Er trat ein paar Schritte zurück und brach auf einem Stuhl auf der anderen Seite des Korridors zusammen. Innerhalb weniger Minuten war er eingeschlafen.
Fletcher schreckte hoch, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte, und versuchte, die Augen zu öffnen. Er hatte keine Ahnung, wie lange er geschlafen hatte. Das Erste, was er sah, war eine Schwester mit ernstem Gesichtsausdruck. Dr. Redpath stand einen Schritt hinter ihr. Man musste ihm nicht erst sagen, dass Harry Robert Davenport nicht länger am Leben war.
*
»Wo liegt das Problem?«, fragte Nat, während sie zur Aula rannten, in der die Stimmen ausgezählt wurden.
»Wir lagen sicher in Führung. Bis vor wenigen Minuten«, berichtete Joe, bereits außer Atem, weil er ja schon eine Strecke hinter sich hatte und auch unfähig war, mit Nat mitzuhalten, der den Lauf wohl als ›zügiges Gehen‹ bezeichnet hätte. Nat wurde langsamer. »Urplötzlich tauchten zwei neue Urnen auf, randvoll mit Stimmzetteln – und fast neunzig Prozent davon zugunsten von Elliot«, fügte Joe hinzu, als sie die unterste Stufe erreichten.
Nat und Tom warteten nicht auf Joe. Sie rannten die Treppen hoch und hasteten durch die Schwingtüren. Die erste Person, die sie sahen, war Ralph Elliot – mit einem selbstgefälligen Grinsen im Gesicht. Nat richtete seine Aufmerksamkeit auf Tom, der bereits von Sue und Chris informiert wurde. Rasch ging er zu den Dreien.
»Wir führten mit knapp über vierhundert Stimmen«, erläuterte Chris, »und wir gingen davon aus, dass schon alles gelaufen sei, als plötzlich aus dem Nichts zwei neue Urnen auftauchten.«
»Was meinst du mit ›aus dem Nichts‹?«, fragte Tom »Tja, sie wurden unter einem Tisch entdeckt, gehörten aber nicht zu denen, die wir bei der ursprünglichen Zählung registriert hatten. In einer dieser beiden Urnen«, Chris sah auf sein Klemmbrett, »erzielte Elliot 319 Stimmen und Nat 48 Stimmen, in der anderen stand es 322 für Elliot zu 41 für Nat, was das ursprüngliche Ergebnis umkehrte und Elliot mit einer Handvoll Stimmen in Führung brachte.«
»Gebt mir ein paar Beispiele der Zahlen aus den übrigen Urnen«, bat Su Ling.
»Die lagen alle ungefähr gleich.« Chris sah wieder auf seine Liste.
»Die größte Differenz lag bei 209 Stimmen für Nat und 176 für Elliot. Elliot brachte es nur in einer Urne auf mehr Stimmen, 201 zu 196.«
»Die Stimmen in diesen letzten beiden Urnen sind statistisch gesehen unmöglich«, erklärte Su Ling, »wenn man sie mit den anderen zehn Urnen vergleicht, die bereits ausgezählt wurden. Jemand muss diese Urnen buchstäblich mit Stimmzetteln voll
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