Archer Jeffrey
erste ein Institut für Wissenschaftliche Vernehmung eingerichtet haben; mit einer ordentlichen Professur und mehreren Assistenten. Ich habe gehört, daß weder Oxford noch Cambridge bis heute über derartige Institute verfügen. Allerdings hat der Westen noch immer höchst weltfremde Ansichten über den Wert des Lebens und die Rechte des einzelnen. Nun, Sie können sich ja vorstellen, daß auch bei uns nur bestimmte Angehörige der Universität von der Existenz dieses Instituts wußten; abgesehen davon hatten auch nur wenige Studenten die Möglichkeit, sich an diesem Institut einzuschreiben – es tauchte ja auch nicht im Vorlesungsverzeichnis auf. Aber da ich bereits Mitglied des Perwijotdel war, schien es vernünftig, meine fachlichen Kenntnisse auch um die Kunst des Folterns zu erweitern. Im Grund bin ich ein einfacher Mensch«, fuhr Stawinsky fort, »und ich habe mich früher nur mäßig für Forschung interessiert. Aber nachdem ich die ›Zigarrenkiste‹ einmal kennengelernt hatte, wurde ich über Nacht ein begeisterter und gelehriger Schüler. Ich konnte es kaum erwarten, daß mir endlich einmal gestattet wurde, selbst zu experimentieren.«
Er hielt inne, um zu sehen, welchen Eindruck sein Monolog auf Scott machte, und war enttäuscht, als er dem gleichen unbeteiligten Blick begegnete.
»Foltern ist freilich ein altes und ehrwürdiges Handwerk«, nahm Stawinsky seine Ausführungen wieder auf. »Die Chinesen beschäftigen sich damit beinah seit dreitausend Jahren. Soweit ich unterrichtet bin, wissen Sie, Captain Scott, das bereits aus eigener Erfahrung. Selbst Ihr Briten seid seit den Zeiten der Folterbank ein ganz beträchtliches Stück weitergekommen. Die Folterbank hat sich jedoch als zu unhandlich erwiesen; in einer Zeit wie der heutigen kann man sie nicht überallhin mitschleppen. Aus diesem Grund hat mein Lehrer in Moskau, Professor Metz, etwas ganz Kleines, Einfaches, entwickelt. Selbst ein durchschnittlich intelligenter Mensch kann nach wenigen Stunden damit umgehen.«
Adam hätte allzugern gewußt, was in der Zigarrenkiste steckte, aber sein Gesicht blieb teilnahmslos.
»Bei der Folter spielt – übrigens ganz wie bei der Liebe, Captain Scott – das Vorspiel eine äußerst wichtige Rolle. Können Sie mir folgen, Captain?«
Adam versuchte entspannt und ruhig zu bleiben.
»Noch immer keine Antwort, Captain Scott? Nun, ich bin ja, wie ich dargelegt habe, nicht in Eile. Außerdem rechne ich ohnehin damit, daß die Prozedur in Ihrem Fall länger als gewöhnlich dauern dürfte. Ich gestehe, daß dies mein Vergnügen nur steigern wird. Auch wenn wir uns noch nicht im Besitz der Zaren-Ikone befinden, so befinden wir uns doch wenigsten im Besitz der einzigen Person, die weiß, wo sie sich befindet.«
Adam äußerte sich noch immer nicht.
»Bevor ich die Kiste öffne, frage ich Sie daher nur ein einziges Mal: Wo ist die Ikone?«
Adam spuckte Stawinsky an.
»Sie sind nicht nur ungezogen«, stellte Stawinsky fest, »sondern auch dumm! In kürzester Zeit nämlich werden Sie jeden Tropfen Flüssigkeit, den wir Ihnen freundlicherweise zugestehen, bitter nötig haben. Aber ich gestehe der Fairneß halber, daß Sie dies natürlich nicht wissen konnten.«
Stawinsky stellte die Kiste auf den Boden und öffnete sie behutsam.
»Zunächst habe ich hier«, erklärte er wie ein Zauberer, der seine Künste vor einem kleinen Kind demonstriert, »eine Sechs-Volt-Nickel-Cadmium-Batterie der britischen Firma Ever Ready.« Er legte eine Pause ein. »Ich kann mir vorstellen, daß Sie dieses Detail zu würdigen wissen. Zweitens«, er steckte seine Hand erneut in die Kiste, »einen kleinen Impulsgenerator.« Er stellte das rechteckige Metallgehäuse neben die Batterie. »Drittens habe ich hier zwei Drähte, an deren Enden Elektroden befestigt sind, viertens zwei Injektionsspritzen, fünftens eine Tube Kollodiumkleber und schließlich eine Ampulle – aber davon später. Ich sagte zwar ›schließlich‹, aber es gibt noch zwei weitere Dinge in dieser Kiste, die ich allerdings nur einsetzen will, falls es sich als notwendig erweist, zu Stadium Zwei oder gar zu Stadium Drei überzugehen.«
Stawinsky stellte alles in einer Reihe vor Adam auf den Boden.
»Ich gebe zu, daß es nicht nach viel aussieht«, sagte er schließlich, »aber mit ein wenig Phantasie werden Sie sich die Möglichkeiten, die mit diesen Objekten gegeben sind, gewiß vorstellen können! Nun gut. Damit auch Genosse Romanow und der Colonel das Schauspiel genießen
Weitere Kostenlose Bücher