Archer Jeffrey
Fenster.
Adam zog sein Sakko aus, hängte es über einen Stuhl und legte sich aufs Bett – zweifelsohne eine deutliche Verbesserung gegenüber allem, worauf er in den letzten beiden Nächten geschlafen hatte. War es wirklich erst zwei Nächte her, seit er auf dem Fußboden von Robins Hotelzimmer in Genf genächtigt hatte?
Drei Minuten verstrichen. Adam beschloß, einen Rechtsanwalt zu verlangen, sobald der Inspektor zurückkam. »Aber was, zum Teufel, heißt Rechtsanwalt auf französisch?« fragte er laut.
Etwa eine halbe Stunde später erschien endlich ein Beamter. Er trug ein Tablett, das mit einem Teller heißer Suppe, einem Brötchen und, soweit Adam erkennen konnte, mit einem Steak samt allen dazu gehörenden Beilagen sowie mit einem randvoll mit Rotwein gefüllten Plastikbecher beladen war. Adam fragte sich, ob die Franzosen ihn mit jemand anderem verwechselt hatten oder ob es sich um seine letzte Mahlzeit vor der Guillotine handelte. Adam folgte dem Polizisten zur Tür.
»Ich möchte mit einem Rechtsanwalt sprechen«, sagte er mit Nachdruck, doch der Polizist zuckte nur die Achseln.
» Je ne comprends pas l’anglais – ich verstehe kein Englisch.«
Dann knallte die Tür hinter ihm zu.
Adam setzte sich und begann zu essen; er empfand Dankbarkeit darüber, daß die Franzosen, ungeachtet aller äußeren Umstände, nie die Notwendigkeit eines guten Essens vergaßen.
Eine Stunde später teilte Sir Morris seinen Mitarbeitern die Neuigkeit mit und musterte eindringlich alle um den Tisch Versammelten. Er hätte nie eine D4-Sitzung einberufen, wäre er nicht überzeugt gewesen, daß sich Adam endlich in Sicherheit befand. Matthews verriet, wie immer, keinerlei Gefühle, Bush war ungewöhnlich still, Snell wirkte zur Abwechslung beinah gelöst. Ein Ausdruck der Freude schien nur bei Lawrence erkennbar.
»Scott befindet sich im Innenministerium in der Nähe der Place Beauvais in Haft«, fuhr Sir Morris fort. »Ich habe bereits mit unserem Militärattache an der Botschaft Kontakt aufgenommen …«
»Colonel Pollard«, unterbrach Lawrence.
»Colonel Pollard«, bestätigte Sir Morris. »Er wurde mit dem Wagen der Botschaft hinübergefahren und wird Scott zu einer ersten Einvernahme in unsere Botschaft am Faubourg St. Honoré bringen. Die Sureté rief vor wenigen Augenblicken an und hat bestätigt, daß Colonel Pollard eingetroffen ist.« Sir Morris wandte sich an seine Nummer Zwei. »Sie werden heute abend nach Paris fliegen und die Einvernahme persönlich leiten.«
»Gewiß, Sir!« antwortete Lawrence, und ein Lächeln leuchtete auf seinem Gesicht, als er seinen Chef anschaute.
Sir Morris nickte. Eine ausgekochte Bande! dachte er bei sich, als er die um den Tisch Sitzenden prüfend anblickte. Aber die nächste halbe Stunde würde schon ans Licht bringen, wer von ihnen zwei Herren diente …
»Gut! Ich glaube nicht, daß ich Sie heute noch benötigen werde«, sagte Sir Morris. Er erhob sich und verließ den Raum.
Mentor lächelte; seine Aufgabe war erfüllt. Aber wie gut, daß er Kurzschrift spiegelbildlich lesen konnte …
Einige Minuten früher als geplant traf ein schwarzer Jaguar mit CD-Kennzeichen vor dem Polizeihauptquartier ein. Der Verkehr war nicht so stark gewesen, wie der Colonel erwartet hatte. Der Inspektor erwartete ihn bereits. Pollard sprang aus dem Wagen. Der Polizist warf einen Blick auf den Union Jack, der auf der Motorhaube flatterte; er fand, daß hier alles allmählich melodramatische Züge annahm.
Pollard – ein kleiner untersetzter Mann in einem dunklen Anzug mit Regimentskrawatte und einem zusammengerollten Schirm unter dem Arm – sah aus wie so viele dieser Engländer, die einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen, daß sie sich im Ausland befinden.
Der Inspektor führte Pollard geradewegs in den kleinen Raum, in dem Adam festgehalten wurde.
»Pollard mein Name, Colonel Pollard! Britischer Militärattache in Paris. Ich bedaure, daß Sie diese Nervenprobe mitmachen mußten, mein Guter, aber es gab erst jede Menge Papierkram zu erledigen, um Sie herauszubekommen! Verdammte Bürokratie!«
»Ich verstehe«, entgegnete Adam und sprang von dem Bett hoch. Er gab dem Colonel die Hand. »Ich war selbst bei der Army.«
»Ich weiß! Royal Wessex, nicht wahr?«
Adam begann sich allmählich zuversichtlicher zu fühlen.
»Auf jeden Fall ist das Problem jetzt gelöst«, fuhr der Colonel fort. »Die französische Polizei war äußerst kooperativ. Sie ist damit einverstanden, daß Sie mich zur Botschaft
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