Archer Jeffrey
zusammengesetzt war, die Romanow immer noch festhielt, einmal tief auf.
»Du tust mir weh, Alex«, sagte sie mit einem kleinen Lächeln.
»Bitte, laß los!« Doch Romanow zog die Kette nur noch ein wenig enger. Tränen begannen ihr über die Wangen zu rollen. Das Metall schnitt ihr langsam in die Haut.
»Ich bekomme kaum Luft«, keuchte Anna. »Quäl mich nicht so. Hör auf.« Aber Romanow spannte die Kette immer mehr, bis Annas Gesicht rot wurde von dem aufgestauten Blut.
»Du würdest doch von meinem unverhofften Reichtum niemand etwas erzählen, nicht wahr, meine Süße?«
»Nein, nie, Alex. Niemand. Du kannst dich drauf verlassen«, würgte sie verzweifelt hervor.
»Kann ich da völlig sicher sein?« fragte er plötzlich mit einer Spur von Drohung in der Stimme.
»Ja. Ja. Natürlich. Bitte! Hör auf.« Sie piepste nur noch. Ihre zarten Hände krallten sich in das blonde Haar ihres Chefs, aber Romanow drehte ihr die schwere Goldkette enger und enger, Windung um Windung, wie ein Zahnradgetriebe um den Hals. Romanow spürte die Hände des Mädchens überhaupt nicht, das in Todesangst an seinem Haar zerrte, als er die Kette ein letztes Mal drehte. »Du kannst doch begreifen, daß ich absolut sicher sein muß«, erklärte er. Sie hörte ihn nicht. Ihr Halswirbel war gebrochen.
Während seines morgendlichen Laufs am Embankment grübelte Adam darüber nach, was er noch – und zwar baldmöglichst – zu erledigen hatte.
Falls er am Mittwoch morgens von Heathrow abflog, konnte er am selben Abend oder spätestens am Donnerstag zurück in London sein. Vor dem Abflug nach Genf gab es jedoch noch einige Dinge zu ordnen.
Er blieb vor seinem Wohnblock auf dem Gehsteig stehen und kontrollierte seinen Puls, ehe er die Treppe zur Wohnung hinauflief.
»Drei Briefe für dich«, sagte Lawrence. »Kein einziger für mich. Übrigens«, fügte er hinzu, »zwei Briefe sehen amtlich aus – sie stecken nämlich in braunen Umschlägen.« Adam nahm die Briefe entgegen und ließ sie auf dem Weg zur Dusche aufs Fußende seines Bettes fallen. Fünf Minuten hielt er es unter dem eisigen Wasser aus, dann rieb er sich mit dem Handtuch trocken. Sobald er angezogen war, nahm er die Briefe wieder zur Hand. Das weiße Kuvert öffnete er zuerst: Heidi dankte ihm kurz für den Abend und hoffte, ihn irgendwann einmal wiederzusehen. Er lächelte, riß einen der beiden braunen Umschläge auf, der eine weitere Mitteilung der Koordinierungsstelle des Foreign Office enthielt: Captain Scott
– die militärische Rangbezeichnung kam ihm bereits merkwürdig deplaciert vor – wurde ersucht, sich am kommenden Montag um drei Uhr nachmittag zu einer ärztlichen Untersuchung bei Dr. John Vance in 122 Harlem Street einzufinden.
Schließlich – der zweite braune Umschlag – teilte seine Bank, eine Filiale von Lloyd’s, Cox und King’s in Pall Mall – ihm mit, von Holbrooke, Holbrooke & Gascoigne sei ein Scheck über fünfhundert Pfund für ihn eingetroffen und bei Geschäftsschluß vom Vortag habe er nunmehr ein Guthaben von 272 Pfund, 18 Shilling und 4 Pence. Beim Durchsehen der Bankauszüge fiel Adam ein, daß er zum erstenmal in seinem Leben sein Konto überzogen hatte – er hätte schärfste Mißbilligung riskiert, wäre er noch bei der Armee gewesen, wo in manchen Regimentern eine Kontoüberziehung vor erst zwanzig Jahren noch als Vergehen angerechnet wurde, für das ein Offizier vor ein Militärgericht gestellt werden konnte.
Was hätten seine Offizierskameraden wohl dazu gesagt, als er zweihundert Pfund vom Konto abhob ohne zu wissen, wie er sie zurückzahlen konnte?
Adam ging angezogen zu Lawrence in die Küche. »Wie war der Schah von Persien?« fragte er.
»Oh, in Anbetracht der Umstände eigentlich ganz vernünf
tig«, sagte Lawrence und blätterte eine Seite des Daily Telegraph um.
»Hat versprochen, alles in seiner Macht zu tun, um seiner momentanen finanziellen Verlegenheit Herr zu werden. Er saß doch ein wenig in der Klemme, bis der Westen ihm eine Erhöhung des Ölpreises erlaubte.«
»Wo hast du denn mit ihm zu Mittag gegessen?« fragte
Adam, dem das Spiel Spaß machte.
»Ich wollte ihn zum Eintopf in die Kneipe Green Man
einladen, aber der olle Kerl ist plötzlich ganz großkotzig
geworden. Behauptete, er müsse mit der Kaiserin auf einen Sprung zu Harrod’s, um sich für einen neuen Thron Maß nehmen zu lassen. Ich hätte die beiden ja begleitet, aber mein Chef bestand darauf, daß ich ihm den Papierkorb leerte, also habe ich
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