Archer Jeffrey
Auskunft.« Adam verschwand auf sein Zimmer.
Das Puzzle begann sich zusammenzufügen. Er besaß den Depotschein des Bankhauses Roget et Cie. für eine Ikone, die seinem Vater zugedacht gewesen war; als Beweis dafür, daß er dies Stück Papier geerbt hatte, brauchte er noch eine Abschrift des Testaments, und damit konnte er dann Anspruch erheben auf die Kopie der Zaren-Ikone – ob die wiederum völlig wertlos oder aber ungeheuer kostbar war, hatte er noch nicht mit Sicherheit in Erfahrung bringen können. Er lag in dieser Nacht lange wach. Die abschließende Aufforderung im Brief seines Vaters ging ihm nicht aus dem Sinn: »Wenn also irgendein Gewinn aus dem Inhalt dieses Briefes gezogen werden kann, so bitte ich Dich nur um eines, nämlich daß vor allem Deine Mutter davon profitieren soll; sie darf aber niemals erfahren, woher dieser Wohlstand kam.«
Nach der Rückkehr – auf einem Umweg über das sowjetische Konsulat – ins Hotel fand er Anna Petrowa in Jeans und hellrotem Pullover lesend auf ihrem Zimmer; ihre Beine baumelten über eine Armlehne des Sessels.
»Ich hoffe, du hast einen nützlichen und angenehmen Nachmittag gehabt?« fragte er höflich.
»Und ob!« sagte Anna. »Die Galerien in Zürich sind wahrhaftig einen Besuch wert. Aber wie ist dein Nachmittag gewesen? Ebenso nützlich und angenehm?«
»Mir sind wahrhaftig die Augen aufgegangen, mein Kleines. Was hieltest du von einem gemütlichen Abendessen auf meinem Zimmer, bei dem ich dir, während wir stilvoll feiern, alles erzähle?«
»Großartig!« rief die Wissenschaftlerin. »Darf ich das Menü zusammenstellen?«
»Natürlich«, antwortete Romanow.
Anna Petrowa ließ das Buch auf den Boden fallen und begann nach der großen Speisekarte auf Romanows Nachttisch mit solcher Gewissenhaftigkeit und Geschmackssicherheit auszuwählen, daß Romanow beeindruckt war, als das Mahl serviert wurde.
Als Vorspeise gab es Lachs in Dillsauce, dazu eine halbe Flasche Chablis Premier Cru 1958, und mit jedem neuen Schatzstück seiner Erbschaft, die Romanow zwischen den einzelnen Bissen beschrieb, wurden die Augen der Wissenschaftlerin größer.
Nur einmal, als ein Kellner den Servierwagen mit dem silbernen Tablett hereinholte und beim Heben des hochgewölbten Deckels, umrandet von Zucchini und winzigen neuen Kartoffeln, gebratenen Lammrücken präsentierte, wurde Romanow in seinem Monolog unterbrochen. Zum Hauptgericht tranken sie einen Gevery Chambertin.
Zum letzten Gang, einem flaumigen Himbeersouffle, konnte nach Ansicht Anna Petrowas nur der allerbeste Château Yquem passen, der 49er Jahrgang, unter dessen Einfluß sie dann allerdings russische Volkslieder anzustimmen begann – was Romanow unter den gegebenen Umständen als völlig unpassend empfand.
Anna schwankte leicht, als sie sich den letzten Tropfen Wein einschüttete, und, stehend, mit unsicherer Stimme anstieß: »Auf Alex, den Mann, den ich liebe.«
Romanow dankte mit einem Kopfnicken. Es sei an der Zeit, sich schlafen zu legen, mahnte er; am nächsten Morgen mußten sie ja die erste Maschine nach Moskau erreichen. Er rollte den Servierwagen in den Korridor und hängte an den Türgriff draußen das Schild Bitte nicht stören.
»Ein denkwürdiger Abend!« rief Anna und schleuderte mit einem wonnigen Lächeln die Schuhe von den Füßen. Romanow schaute ihr beim Auskleiden bewundernd zu, doch als er sein Hemd aufknöpfte, verschlug es ihr vor Überraschung den Atem.
»Wie prachtvoll!« flüsterte sie ehrfürchtig. Romanow hielt das goldene Medaillon in die Höhe. »Wertloser Plunder im Vergleich zu den Schätzen, die ich in der Bank gelassen habe«, versicherte er.
»Genosse Geliebter«, flötete Anna mit kindlich hoher Stimme, als sie Romanow zum Bett zog, »weißt du überhaupt, wie sehr ich dich anbete und bewundere?«
»Hm«, meinte Romanow.
»Weißt du übrigens auch«, fuhr sie fort, »daß ich dich bis heute noch nie um einen Gefallen gebeten habe?«
»Ich habe so ein Gefühl, als ob du das gleich nachholen würdest«, sagte Romanow. Sie warf das Laken zurück.
»Ich habe ja nur einen Wunsch: Wenn diese Goldkette bloß wertloser Plunder ist, erlaubst du mir dann, sie ab und zu zu tragen?«
»Ab und zu?« fragte Romanow und schaute Anna tief in die Augen. »Warum denn nur ab und zu? Warum denn nicht für immer, meine Süße?« Und ohne ein weiteres Wort nahm er die Kette von seinem Hals und zog sie ihr über den Kopf. Anna seufzte beim Abtasten der dicken goldenen Ringe, aus denen die Kette
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