Archer Jeffrey
herbeizuführen. Ich weiß sehr wohl, daß die
Auflagenhöhe beider Zeitungen in den letzten Jahren gesunken
ist. Deshalb habe ich an einem Plan gearbeitet, etwas dagegen
zu unternehmen – ein Plan, dem Vater über kurz oder lang
zugestimmt hätte.«
»Ich fürchte, du wirst deinen Plan nicht mehr brauchen«,
erklärte Lady Townsend. »Sir Colin Grant, der Vorstandsvorsitzende des Adelaide Messenger, hat mir ein Angebot von
hundertfünfzigtausend Pfund für die Gazette gemacht. Unser
Vorstand wird dieses Angebot bei der nächsten Sitzung
wahrscheinlich annehmen.«
»Warum sollten wir die Gazette verkaufen?« Keith starrte
seine Mutter ungläubig an.
»Weil wir bereits seit Jahren einen hoffnungslosen
Konkurrenzkampf mit dem Messenger führen, und weil uns ihr
Angebot unter den gegebenen Umständen sehr großzügig
erscheint.«
Keith stand auf und trat vor seine Mutter hin. »Ich bin nicht
nach Hause gekommen, um die Gazette zu verkaufen, Mutter.
Ganz im Gegenteil. Irgendwann will ich den Messenger
übernehmen.«
»Dieser Gedanke ist bei unserer derzeitigen finanziellen
Lage völlig unrealistisch, Keith. Der Vorstand würde niemals
seine Zustimmung erteilen.«
»Zur Zeit vielleicht nicht. Aber wenn unser Umsatz erst
einmal höher ist als der des Messenger, dürfte die Sache anders
aussehen.«
»Du ähnelst deinem Vater sehr, Keith.« Lady Townsend
blickte zu ihm auf.
»Bitte, gib mir die Chance, zu beweisen, was ich kann«, bat
Keith. »Du wirst feststellen, daß ich in meiner Volontärszeit in
der Fleet Street eine ganze Menge gelernt habe. Und ich bin
nach Hause gekommen, um dieses Wissen zu unserem Nutzen
einzusetzen.«
Lady Townsend blickte eine Zeitlang ins Feuer, ehe sie
antwortete: »Sir Colin hat mir neunzig Tage Bedenkzeit
gegeben.« Wieder machte sie eine Pause. »Ich gebe dir
genauso lange, mich davon zu überzeugen, daß ich sein Angebot nicht annehmen sollte.«
Als Keith am nächsten Morgen in Adelaide aus dem Flugzeug stieg, stellte er beim Betreten der Ankunftshalle als erstes fest, daß der Messenger über der Gazette in den Zeitungsständer gesteckt war. Keith stellte sein Gepäck ab und vertauschte die Zeitungen im Ständer; dann kaufte er je ein Exemplar.
Während er in der Schlange derjenigen stand, die auf ein Taxi warteten, machte er die Beobachtung, daß von den dreiundsiebzig Personen, die den Flughafen verließen, zwölf den Messenger gekauft hatten, aber nur sieben die Gazette. Im Taxi zur Stadt notierte er sich diese Feststellung auf der Rückseite seines Tickets, um mit Frank Bailey, dem Chefredakteur der Gazette, darüber zu reden, sobald er in seinem Büro war. Dann blätterte er beide Zeitungen durch und mußte zugeben, daß der Messenger den interessanteren Lesestoff bot. Doch er beschloß, diese Meinung nicht gleich an seinem ersten Tag in der Stadt zu äußern.
Das Taxi brachte Keith direkt vor den Eingang des Redaktionsgebäudes der Gazette. Er stellte sein Gepäck am Empfang ab und nahm den Aufzug in den zweiten Stock. Niemand beachtete ihn, als er zwischen den Reihen der Schreibtische hindurchschritt, an denen die Journalisten saßen und in die Tasten ihrer Schreibmaschinen hämmerten. Ohne an der Tür des Chefredakteurs anzuklopfen, trat Keith ein und platzte direkt in die morgendliche Redaktionskonferenz.
Völlig überrascht, erhob Frank Bailey sich hinter seinem Schreibtisch, streckte Keith die Hand entgegen und sagte: »Keith! Wie schön, Sie nach so langer Zeit wiederzusehen!«
»Freut mich auch, Sie wiederzusehen«, entgegnete Keith. »Wir hatten Sie eigentlich nicht vor morgen erwartet.« Bailey wandte sich den Redakteuren zu, die an dem Uförmigen Tisch saßen. »Das ist Sir Grahams Sohn Keith, nach dem Tod seines Vaters der neue Verleger unserer Zeitung. Wer von Ihnen länger als fünf Jahre hier ist, wird sich gewiß an ihn erinnern, als er das letzte Mal hier war … und zwar als … als …« Frank zögerte.
»Als Sohn meines Vaters«, beendete Keith den Satz.
Die Bemerkung wurde mit Gelächter quittiert.
»Bitte, machen Sie weiter. Tun Sie, als wäre ich gar nicht da«, bat Keith. »Ich habe nicht die Absicht, einer von den Verlegern zu werden, die sich in redaktionelle Entscheidungen einmischen.« Er ging in eine Zimmerecke, setzte sich aufs Fensterbrett und spielte den Beobachter, während Frank die Redaktionskonferenz weiterführte. Offenbar hatte er weder seine Fähigkeiten noch sein Engagement verloren, die Zeitung als Mittel zu benutzen, sich für jeden
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