Archer Jeffrey
vorübergetragen und auf einen Katafalk vor dem Altar gehoben.
Der Bischof von Melbourne hielt die Totenmesse ab, und Reverend Charles Davidson las die Gebete. Die Lieder, die Lady Townsend ausgewählt hatte, hätten Keith’ altem Herrn ein Grinsen entlockt: To be a Pilgrim, Rock of Ages, Fight the Good Fight. David Jakeman, ein ehemaliger Redakteur des Courier, hielt die Totenrede. Er sprach von Sir Grahams Energie, seiner Lebensfreude, seiner Verachtung leeren Phrasen gegenüber, seiner Liebe zur Familie und wie sehr alle, die ihn gekannt hatten, ihn vermissen würden. Er beendete seine Würdigung des Verstorbenen mit dem Hinweis, daß Sir Grahams Sohn und Erbe Keith die Nachfolge des Vaters antreten würde.
Nach der Einsegnung nahm Lady Townsend wieder den Arm ihres Sohnes und folgte den Trägern mit dem Sarg aus der Kathedrale zum Friedhof.
»Asche zu Asche, Staub zu Staub«, deklamierte der Bischof, als der Eichensarg ins Grab hinuntergelassen wurde und die Totengräber Erde darauf schaufelten. Keith hob den Kopf und ließ den Blick rasch über die Anwesenden schweifen, die das Grab umstanden. Freunde, Verwandte, Kollegen, Politiker, Konkurrenten, Buchmacher – ja, vermutlich sogar ein oder zwei Aasgeier, die nur gekommen waren, um zu sehen, ob hier irgend etwas für sie zu holen war.
Nachdem der Bischof das Kreuzzeichen gemacht hatte, führte Keith seine Mutter langsam zur wartenden Limousine zurück. Kurz bevor sie den Wagen erreichten, blieb Lady Townsend stehen, wandte sich um und reichte eine Stunde lang jedem Trauergast die Hand, bis schließlich auch der letzte gegangen war.
Weder Keith noch seine Mutter redeten auf der Fahrt zurück nach Toorak auch nur ein Wort. Als sie ans Ziel gelangt waren, stieg Lady Townsend die Marmortreppe hinauf und zog sich in ihr Schlafzimmer zurück. Keith ging in die Küche, wo Florrie ein leichtes Mittagessen zubereitete. Er deckte ein Tablett mit ein paar Happen und brachte es zu seiner Mutter hinauf. Bevor er eintrat, klopfte er behutsam. Lady Townsend rührte sich nicht, als Keith das Tablett vor ihr abstellte. Er küßte sie auf die Stirn, drehte sich um und ließ sie wieder allein. Dann machte er einen langen Spaziergang auf dem Grundstück, wobei er dieselben Wege einschlug, die er so oft mit seinem Vater entlangspaziert war. Ihm war klar, daß er nun, da die Beerdigung vorüber war, das eine Thema anschneiden mußte, dem sie bislang ausgewichen waren.
Lady Townsend kam kurz vor zwanzig Uhr herunter, und gemeinsam begaben sie sich ins Eßzimmer. Wieder sprach sie von Keith’ Vater und wiederholte im wesentlichen, was sie bereits am Abend zuvor gesagt hatte. Dabei stocherte sie lustlos in ihrem Essen herum. Nachdem der Hauptgang abgeräumt war, stand sie plötzlich auf und ging ins Wohnzimmer.
Als sie sich an ihren gewohnten Platz am Kamin gesetzt hatte, blieb Keith kurz stehen, ehe er im Sessel seines Vaters Platz nahm. Nachdem das Hausmädchen ihnen Kaffee gebracht hatte, beugte Lady Townsend sich vor, wärmte sich die Hände und stellte endlich die langerwartete Frage.
»Was hast du nun vor, Keith, jetzt, wo du wieder in
Australien bist?«
»Als erstes werde ich morgen mit dem Chefredakteur des
Courier reden. Es gibt da einige Änderungen, die rasch
vorgenommen werden müssen, wenn wir den Age jemals
überholen wollen.« Er wartete auf die Antwort seiner Mutter. »Keith«, sie blickte ihn an, »ich sage es dir nicht gern, aber
der Courier gehört uns nicht mehr.«
Keith war wie vom Donner gerührt. Er brachte kein Wort
hervor.
Seine Mutter wärmte sich weiter die Hände am Kamin.
»Wie du weißt, hat dein Vater alles mir vererbt, und für mich
sind Schulden, gleich welcher Art, schon immer unerträglich
gewesen. Vielleicht, wenn er dir die Zeitungen vermacht
hätte…«
»Aber, Mutter…«, begann Keith.
»Vergiß nicht, daß du fast fünf Jahre fort warst, Keith. Als
ich dich das letzte Mal gesehen habe, warst du noch ein
Schuljunge, der widerstrebend an Bord der SS Stranthedan
ging. Ich konnte nicht sicher sein, ob du…«
»Vater hätte bestimmt nicht gewollt, daß du den Courier
verkaufst. Es war die erste Zeitung, die er herausgegeben hat.« »Und sie ist von Woche zu Woche tiefer in die roten Zahlen
gerutscht. Als die Kenwright-Gruppe mir die Chance bot, mich
ohne jegliche Verbindlichkeiten von dem Blatt zu trennen, hat
der Vorstand mir geraten, das Angebot anzunehmen.« »Aber du hast mir nicht die Chance geboten, einen
Umschwung
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