Archer Jeffrey
die Fußstapfen seines Bruders zu treten, was ihm jedoch offenbar nicht so recht gelang. Tatsächlich beklagte er sich während einer dieser endlosen Ferien, die Kinder jetzt bekommen, daß man ihn herumschubse. Ich sagte ihm, er solle sich auf die Hinterbeine stellen und daran denken, daß wir Krieg hätten. Ich erklärte ihm auch, daß Guy, soweit ich mich erinnerte, nie solche Schwierigkeiten gehabt hatte.
Während dieses langen Sommers von 1917 beobachtete ich meine beiden Söhne aufmerksam und kann nicht behaupten, daß Guy, als er auf Urlaub zu Hause war, in Nigel einen angenehmen Gefährten fand, weshalb er seine Gesellschaft auch kaum ertrug. Ich mahnte Nigel immer wieder, sich den Respekt seines großen Bruders zu erringen, doch er rannte immer nur weg und versteckte sich im Garten, manchmal viele Stunden lang.
Während seines Urlaubs in diesem Sommer riet ich Guy, seinen Großvater in Yorkshire zu besuchen, und entdeckte sogar eine Erstausgabe von Songs of Innocence, die mein Vater schon lange für seine Sammlung suchte. Guy kehrte nach einer Woche wieder nach Hause zurück und versicherte mir, daß er jetzt durch diesen William Blake, den Großpapa noch nicht gehabt hatte, einen noch größeren Stein im Brett bei ihm hatte.
Natürlich wünschte ich mir, wie jede Mutter während dieser besonders hehren Zeit in unserer Geschichte, daß Guy sich vor dem Feind auszeichne und schließlich, nach Gottes Willen, heil heimkehre. Wie sich erwies, kann ich sicher ohne Übertreibung behaupten, daß keine noch so stolze Mutter von einem Sohn mehr hätte erwarten können.
Guy wurde noch sehr jung zum Captain befördert und nach der zweiten Schlacht an der Marne mit dem MC, dem Militärverdienstkreuz, ausgezeichnet. Andere, die die dazugehörende Anerkennung lasen, fanden, daß er ein bißchen Pech gehabt hatte, denn man hätte auch um das Viktoriakreuz für ihn einreichen können. Ich habe mich zurückgehalten und nicht darauf hingewiesen, daß eine solche Empfehlung von seinem Kommandeur gegengezeichnet hätte werden müssen, und da dies ein gewisser Danvers Hamilton war, bedurfte diese Ungerechtigkeit keiner näheren Erklärung.
Bald nach der Unterzeichnung des Waffenstillstands kehrte Guy nach Hause zurück und wurde zum Regimentstandort in Hounslow versetzt. Während er auf Urlaub war, ließ ich bei Spinks in seine beiden Militärverdienstkreuze – den Orden und die kleinere Ausführung davon – seine Initialen eingravieren. Inzwischen war sein Bruder Nigel als Kadett in der Königlichen Militärakademie aufgenommen worden, allerdings nicht ganz ohne daß Gerald seinen Einfluß geltend machte.
Ich zweifle nicht daran, daß sich Guy während der Zeit, da er wieder in London war, gründlich die Hörner abstieß – welcher junge Mann in seinem Alter tut das nicht –, aber er wußte natürlich, daß er nicht heiraten durfte, ehe er dreißig war, wenn er sich nicht seine Chancen auf weitere Beförderung verderben wollte.
Er brachte zwar an Wochenenden mehrmals junge Damen mit nach Ashurst, doch ich wußte, daß es nie etwas Ernsthaftes war; außerdem hatte ich bereits eine Frau für ihn im Auge, ein Mädchen aus der nächsten Ortschaft, deren Familie wir bereits längere Zeit kannten. Sie gehörte zwar nicht zum Landadel, konnte aber ihre Vorfahren bis zur Zeit Wilhelm des Eroberers zurück belegen. Wichtiger noch war jedoch, daß sie auf eigenem Grund und Boden von Ashurst bis Hastings schreiten konnte.
Deshalb war es ein besonders unangenehmer Schock für mich, als Guy an einem Wochenende mit einer gewissen Rebecca Salmon daherkam, die sich, wie ich kaum glauben konnte, eine Wohnung mit der Harcourt-Browne-Tochter teilte.
Wie ich bereits deutlich genug zu erkennen gab, bin ich kein Snob. Aber ich fürchte, Miss Salmon gehört zu dem Typ Mädchen, das meine schlimmste Seite weckt. Mißverstehen Sie mich nicht. Ich habe nichts gegen Frauen, nur weil sie sich bilden wollen. Tatsächlich bin ich dafür – in vernünftigem Maß natürlich –, aber deshalb brauchen sie sich nicht gleich einzubilden, das gäbe ihnen automatisch das Recht auf einen Platz in der Gesellschaft. Wissen Sie, ich kann es einfach nicht ausstehen, wenn jemand etwas vortäuscht, was er ganz offenbar nicht ist, und ich fühlte bereits, ehe ich Miß Salmon persönlich kennenlernte, daß sie nur in einer Absicht nach Ashurst kam.
Wir wußten, daß Guy, während er in London stationiert war, seine Liebeleien hatte – immerhin war Miss
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