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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Aufstieg
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Gebäck, während eine Militärkapelle Land of Hope and Glory spielte. Der Krieg war überall. Als sie wieder im Zug saßen, wurden viele Taschentücher von behüteten Damen geschwenkt, die wohl den Rest ihres Lebens Jungfern bleiben würden.
Der Zug ratterte wieder nordwärts, immer weiter weg vom Feind, bis er schließlich im Waverley-Bahnhof in Edinburgh anhielt. Beim Aussteigen wurden die Rekruten von einer kleinen Gruppe von Uniformierten und unzähligen Damen auf dem Bahnsteig in Empfang genommen.
Charlie hörte den Befehl: »Übernehmen Sie, SergeantMajor!« Einen Augenblick später trat ein Mann vor, der bestimmt seine zwei Meter groß war und dessen Uniformjacke auf der mächtigen Brust mit Auszeichnungen nur so prangte.
»In Reih und Glied, Männer!« bellte der Riese in einem kaum verständlichen Dialekt, von dem Charlie annahm, daß es Schottisch war. Rasch – aber wie Charlie später erfuhr, langsam nach seinen Maßstäben – ordnete er die Neuen in Dreierreihen und machte jemandem – Charlie nahm an, daß es ein Offizier war – Meldung. Er salutierte zackig und sagte: »Alle anwesend und abmarschbereit, Sir.« Dann salutierte er noch einmal.
Der eleganteste Mann, den Charlie in seinem ganzen bisherigen Leben gesehen hatte, erwiderte den Gruß. Er wirkte fast klein neben dem Sergeant-Major, obwohl er selbst über eins-achtzig sein mußte. Seine Uniform war makellos, wies jedoch keine Medaillen auf, und die Bügelfalten seiner Uniform waren so scharf, daß Charlie sich fragte, ob er sie heute zum erstenmal trug. Der Offizier hielt ein Lederstöckchen in der behandschuhten Hand und tippte damit hin und wieder auf die Seite seines Beins, so als säße er hoch zu Roß. Dann wanderte Charlies Blick zu seinem Gürtel und den braunen Lederschuhen, die auf Hochglanz poliert waren und Charlie unwillkürlich an Rebecca Salmon denken ließen.
»Ich bin Captain Trentham«, stellte sich der Mann der erwartungsvollen Schar noch unausgebildeter Rekruten vor, und zwar mit einem Akzent, der, wie Charlie vermutete, besser ins Ritz gepaßt hätte als auf einen Bahnhof in Schottland. »Ich bin der Bataillonsadjutant«, fuhr er fort und verlagerte dabei sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, »und während eurer Ausbildung in Edinburgh euer Kompaniechef. Wir marschieren jetzt zur Kaserne, wo ihr eure Ausrüstung bekommt und euch Betten zugeteilt werden. Abendessen gibt es um neunzehn Uhr, und das Licht wird um einundzwanzig Uhr ausgeschaltet. Wecken ist um Punkt fünf Uhr, und nach dem Frühstück beginnt eure Grundausbildung, die zwölf Wochen dauern wird. Und ich verspreche euch, daß es zwölf Wochen sein werden, in denen ihr nichts zu lachen habt«, fügte er hinzu, und es klang fast etwas sadistisch. »Während dieser Zeit wird Sergeant-Major Philpott euch die Befehle erteilen. Er hat an der Somme gekämpft und weiß genau, was euch erwartet, wenn ihr schließlich in Frankreich landet und den Feind vor euch habt. Laßt euch kein Wort von dem entgehen, was er euch sagt, denn es rettet euch vielleicht einmal das Leben. Übernehmen Sie, Sergeant-Major.«
»Danke, Sir!« bellte Sergeant-Major Philpott.
Die bunte Schar starrte halb ehrfürchtig, halb furchtsam auf den Riesen, der die nächsten drei Monate ihr Leben beherrschen würde. Er war immerhin ein Mann, der gegen den Feind gekämpft hatte und davon erzählen konnte.
»Also, dann los!« befahl er und führte seine mit Koffern und Bündeln beladenen Rekruten im Laufschritt durch die Straßen von Edinburgh, damit die Bürger keine Zeit hatten zu erkennen, wie zuchtlos dieser Haufen noch war. Trotzdem blieben viele Leute stehen und jubelten ihnen zu. Aus den Augenwinkeln bemerkte Charlie, daß einer der Passanten seine einzige Hand auf sein einziges Bein stützte. Zwanzig Minuten später, nach der Bezwingung des höchsten Hügels, den Charlie je gesehen hatte und der ihm im wahrsten Sinne des Wortes den Atem raubte, betraten sie die Kaserne in der Burganlage.
An diesem Abend öffnete Charlie kaum den Mund, während er über die unterschiedlichsten Dialekte der Männer staunte, die sich rundum unterhielten. Nach dem Abendessen, bestehend aus Erbsensuppe – »Pro Mann eine Erbse«, spöttelte der Unteroffizier vom Dienst – und Corned beef, wurde er in einer großen Turnhalle mit etwa vierhundert Betten einquartiert, von denen jedes nur sechzig Zentimeter breit war und nicht mehr als dreißig Zentimeter Abstand zum nächsten hatte. Auf einer dünnen

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