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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Aufstieg
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Roßhaarmatratze lagen ein Leintuch, ein Kopfkissen und eine Wolldecke – streng nach Dienstvorschrift.
Es war das erste Mal, daß Charlie die Wohnung in der Whitechapel Road fast für luxuriös hielt. Erschöpft ließ er sich auf das ungemachte Bett fallen und schlief sofort ein. Wie üblich wachte er um halb fünf Uhr auf, doch hier konnte er nicht zum Markt gehen und auch nicht unter verschiedenen Sorten seinen Frühstücksapfel aussuchen.
Um fünf Uhr weckte eine Trompete seine verschlafenen Kameraden. Charlie war längst gewaschen und angezogen, als ein Mann mit zwei Streifen an den Ärmeln hereinmarschierte. Er schmetterte die Tür hinter sich zu und brüllte: »Auf, auf, auf!«, während er heftig gegen das Fußende eines jeden Bettes trat, in dem noch jemand lag. Die Rekruten stellten sich in Schlangen vor den Waschschüsseln an. Das Wasser war eiskalt und wurde erst erneuert, wenn sich drei Mann darin gewaschen hatten. Einige begaben sich zu den Latrinen hinter der Turnhalle, in denen es schlimmer stank als auf der Whitechapel Road an einem schwülen Sommertag.
Das Frühstück bestand aus einem Schöpflöffel Porridge sowie einem halben Becher Milch und einer trockenen Semmel, doch niemand beklagte sich. Der fröhliche Lärm aus der Turnhalle hätte jeden Deutschen überzeugt, daß diese Rekruten wie ein Mann bereit waren, gegen den gemeinsamen Feind zu stürmen.
Um sechs Uhr, nachdem die Betten gemacht und inspiziert waren, gingen alle hinaus zum Exerzierplatz. Draußen war es noch dunkel und sehr kalt. Eine dünne Schneeschicht bedeckte den Asphalt.
»Also, wenn das das liebliche Schottland is’«, hörte Charlie jemand in Cockney brummen, »dann bin ich ein verdammter Deutschmann.« Charlie lachte zum erstenmal, seit er Whitechapel verlassen hatte, und schlenderte hinüber zu einem Burschen, der viel kleiner war als er und sich die Hände zwischen den Beinen rieb, um sie warm zu halten.
»Wo’er bist du?« fragte ihn Charlie.
»Poplar, Kumpel. Und du?«
»Whitechapel.«
»Ach, ‘n Ausländer!«
Charlie starrte seinen neuen Kameraden an. Der Bursche war bestimmt nicht viel größer als eins fünfundfünfzig, mager, hatte dunkles, lockiges Haar, und mit seinen lebhaft funkelnden Augen schien er ständig Ausschau nach Streit zu halten. Sein speckiger Anzug mit einem Flicken am Ellbogen hing ihm von den Schultern herunter wie an einem Kleiderbügel.
»Ich bin Charlie Tramper.«
»Und ich Tommy Prescott«, antwortete der andere. Er beendete seine Aufwärmübungen und streckte eine Hand aus, die Charlie heftig schüttelte.
»Ruhe im Glied!« brüllte der Sergeant-Major. »Stellt euch in Dreierreihen auf, Die Größten rechts, die Kleinsten links. Vorwärts!« Charlie und Tommy trennten sich.
Die nächsten zwei Stunden führten sie etwas durch, das der Hauptfeldwebel »Drill« nannte. Es schneite leicht, aber stetig, und der Sergeant-Major schien verhindern zu wollen, daß auch nur eine Flocke auf seinen Exerzierplatz fiel. Die Rekruten marschierten in drei Zehnerreihen, was Abteilung genannt wurde, wie Charlie später erfuhr, dabei mußten sie die Arme bis in Schulterhöhe schwingen, den Kopf hochhalten und einhundertundzwanzig Schritte pro Minute machen. »Munter, Jungs!« und »Schritt halten!« hörte Charlie immer wieder. »Die Deutschen marschieren da drüben auch und können es nicht erwarten, euch abzuknallen«, versicherte ihnen der Sergeant-Major. Der Schnee fiel weiter. In Whitechapel wäre Charlie von fünf Uhr morgens bis sieben Uhr abends geschäftig auf dem Markt hin und her geeilt, hätte dann noch ein paar Runden im Club geboxt, sich zwei Bier gegönnt und dann das gleiche am nächsten Tag wieder getan, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden; doch als der Sergeant-Major ihnen um neun Uhr eine zehnminütige Kakaopause gönnte, ließ er sich erschöpft auf den Grasstreifen neben dem Exerzierplatz fallen. Als er aufblickte, sah er, daß Tommy Prescott zu ihm herunterstarrte. »Tschick?«
»Danke, nein«, murmelte Charlie. »Ich rauche nicht.«
»Was treibst du so als Zivilist?« fragte Tommy und zündete sich eine Zigarette an.
»Ich ‘ab’ eine Bäckerei an der Ecke Brick Street«, antwortete Charlie, »und einen …«
»Langsam, langsam«, unterbrach ihn Tommy, »als nächstes be’auptest du noch, dein Vater is’ der Oberbürgermeister von London.«
Charlie lachte. »Wohl kaum. Und was machst du?«
»Ich arbeit’ für ‘ne Brauerei. Whitbread & Co., in der Chiswell Street.

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