Archer Jeffrey
zusammenbricht, wäre es ratsam, nicht alles zu riskieren. Meinen Sie nicht, Mr. Trumper?«
»Nein, mein’ ich nicht, aber deshalb bin ich …« Es gelang mir gerade noch, mich zurückzuhalten, ehe ich mit meinen wahren Gefühlen hinausplatzte.
»Stimmt«, bestätigte Hadlow und machte mich noch verlegener. »Und das ist auch der Grund, weshalb ich Sie immer so bedenkenlos unterstützt habe«, fügte er großherzig hinzu.
Im Lauf der Tage mußte ich zugeben, daß ein Generalstreik doch immer wahrscheinlicher wurde. Diese Unsicherheit und der Mangel an Vertrauen in die Zukunft führte dazu, daß erst ein Laden, dann ein anderer zum Verkauf angeboten wurde.
Ich erstand die ersten beiden zu Schleuderpreisen, und dank der Schnelligkeit, mit der Crowther den Papierkram erledigte und Hadlow das Geld freigab, konnte ich der Firma noch das Schuhgeschäft und die Apotheke hinzufügen.
Als der Generalstreik schließlich begann – das war am 4. Mai 1926, einem Dienstag – machten der Colonel und ich uns schon im Morgengrauen auf den Weg. Wir kontrollierten jedes unserer Geschäfte von Nord bis Süd. Syd Wrexalls Vereinsmitglieder hatten schon alle ihre Läden verschlagen; ich fand, daß das bereits ein Zugeständnis an die Streikenden war. Ich erklärte mich jedoch mit des Colonels Plan »Operation Dichtmachen« einverstanden, der vorsah, daß Tom Arnold auf ein Zeichen von mir alle dreizehn Geschäfte innerhalb von drei Minuten geschlossen und verriegelt hatte. Am vergangenen Samstag hatte ich zugesehen, wie Tom zur Erheiterung der Passanten mehrere, wie er es nannte, »Schließübungen« veranstaltete.
Obwohl am ersten Morgen des Streiks die Sonne schien und die Straßen sich ziemlich füllten, war die einzige Konzession, die ich an die wogende Menschenmenge machte, daß ich vor Nummer 147 und 131 nicht wie sonst die übliche Frischware ausstellte.
Um acht Uhr meldete Tom Arnold, daß nur fünf Angestellte nicht zur Arbeit erschienen waren – und das, obwohl auch die öffentlichen Verkehrsmittel durch ungeheure Staus stundenlang aufgehalten wurden – und daß einer der fünf noch dazu wirklich krank war.
Während der Colonel und ich die Chelsea Terrace auf und ab schlenderten, wurden wir zwar hin und wieder mal angepöbelt, aber ich hatte nicht das Gefühl, daß Gewalt in der Luft lag, und wenn man die Umstände bedachte, waren die meisten Leute überraschend gut gelaunt. Einige der Jüngeren fingen sogar auf der Straße an Fußball zu spielen.
Das erste Zeichen wirklicher Unruhen gab es am Morgen des zweiten Tages, als ein Ziegelstein das Schaufenster von Nummer 5, dem Juweliergeschäft, zertrümmerte. Ich sah, wie sich zwei oder drei Burschen aus der Auslage schnappten, was sie konnten, und die Terrace hinunter flohen. Die Menge wurde unruhig und fing an, Schlagworte zu brüllen, also gab ich das Signal, und Tom Arnold, der etwa fünfzig Meter von uns entfernt war, blies sechsmal in seine Trillerpfeife. Innerhalb der drei Minuten, die der Colonel als Grenze gesetzt hatte, waren alle unsere Geschäfte geschlossen und verriegelt. Ich blieb, wo ich war, während die Polizei einschritt und mehrere Personen festnahm. Obwohl die Gemüter noch erhitzt waren, wies ich Tom schon nach einer knappen Stunde an, die Läden wieder zu öffnen und die Kundschaft zu bedienen, als wäre nichts geschehen. Und innerhalb von drei Stunden war die Scheibe von Nummer 5 ersetzt – nicht daß es der passende Tag für Uhren- oder Schmuckkäufe gewesen wäre.
Am Donnerstag waren nur drei unserer Leute nicht zur Arbeit gekommen, aber ich sah vier weitere Läden in der Terrace mit Brettern vernagelt. Auf den Straßen ging es viel ruhiger zu. Als ich mir ein paar Minuten zum Frühstücken gönnte, sagte mir Becky, daß es heute keine Times gäbe, weil die Drucker streikten. Aber dafür hatte die Regierung ihr eigenes Blatt herausgegeben, die British Gazette, ein Gegenschlag Churchills. Es informierte seine Leser, daß die Eisenbahner und andere Transportarbeiter scharenweise an ihre Arbeitsplätze zurückkehrten.
Trotzdem sprach mich Norman Cosgrave, der Fischhändler von Nummer 1, an. Es reichte ihm, sagte er, und fragte, wieviel ich ihm für seinen Laden geben würde. Wir einigten uns noch am Vormittag auf den Preis und gingen schon am Nachmittag zur Bank, um das Geschäft abzuschließen. Auf meinen Anruf hin hatte Crowther sofort die nötigen Papiere fertiggemacht und Hadlow den Scheck ausgestellt, so daß bei unserer Ankunft nur noch meine
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