Archer Jeffrey
einiger Entfernung vom Pub und ging zu Fuß zum »Fröhlichen Wildschütz«. Vier Männer unterhielten sich an der Theke, und etwa sechs saßen mit ihren Krügen um ein gefährlich loderndes Kaminfeuer. Ich setzte mich ans Ende der Theke und bestellte mit Kartoffelpüree überbackenes Hackfleisch, das hier Hirtenauflauf genannt wurde, und ein Glas Dunkles bei einer vollbusigen Kellnerin mittleren Alters – die Frau des Wirts, wie ich später erkannte. Ich brauchte nur Augenblicke, um festzustellen, wer der Wirt war, denn die anderen Gäste riefen ihn alle Syd; aber mir war klar, daß ich mich noch eine Weile würde gedulden müssen. So lauschte ich seinem Geplauder über alle und jeden, von Lady Docker bis Richard Murdoch, und es hörte sich an, als stünde er mit allen auf du und du.
»Noch mal das gleiche?« fragte er mich schließlich, als er zu meinem Ende der Theke kam und mein leeres Glas holte.
»Ja, bitte«, sagte ich erleichtert, weil er mich offenbar nicht kannte.
Bis er mit meinem Bier zurückkam, hingen nur noch zwei Einheimische an der Theke herum.
»Sind Sie aus der Gegend?« erkundigte er sich und lehnte sich gegen den Schanktisch.
»Nein«, antwortete ich. »Ich bin nur auf ein paar Tage hier, auf Inspektion. Ich bin vom Ministerium für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung.«
»Und was führt Sie nach ‘atherton?«
»Die Maul- und Klauenseuche. Ich sehe mir den Viehbestand an.«
»O ja, ich ‘ab’ in der Zeitung davon gelesen.« Er spielte mit einem leeren Glas.
»Darf ich Sie zu einem Glas einladen?« fragte ich.
»O danke, Sir, wenn es Ihnen recht ist, nehme ich einen Whisky.« Er stellte sein leeres Bierglas in das Spülbecken und schenkte sich einen Doppelten ein, für den er mir fünf Shilling berechnete, dann fragte er mich, wie es denn hier mit der Seuche aussah.
»Alles in Ordnung bisher«, antwortete ich, »aber ich muß noch zu ein paar Höfen im Norden des Bezirks.«
»Ich ‘ab’ mal jemand in Ihrem Ministerium gekannt«, sagte er plötzlich.
»Ja?«
»Sir Charles Trumper.«
»Vor meiner Zeit.«, entgegnete ich und nahm einen Schluck von meinem Bier. »Aber im Ministerium redet man noch von ihm. Muß ein ziemlich harter Bursche gewesen sein, wenn die Geschichten stimmen, die man sich über ihn erzählt.«
»Verdammt, das war er«, fluchte Wrexall. »Wenn er mich nicht überrumpelt ‘ätt’, war’ ich jetzt ein reicher Mann.«
»Oh, wirklich?«
»O ja! Wissen Sie, bevor ich ‘ier’ergezogen bin, ‘ab’ ich Eigentum in London ge’abt. Einen Pub und Beteiligung an mehreren Läden in der Chelsea Terrace, genau gesagt. Er ‘at mir im Krieg das Ganze für lumpige sechstausend Pfund abgekauft. Wenn ich nur vierundzwanzig Stunden gewartet ‘ätt’, ‘ätt’ ich zwanzig- oder gar dreißigtausend dafür gekriegt.«
»Aber der Krieg war doch nicht in vierundzwanzig Stunden vorbei.«
»O nein, ich will auch gar nicht andeuten, daß er mich ‘ereinlegen wollte, aber es ist mir immer als ein wenig mehr als bloßer Zufall vorgekommen, daß er ausgerechnet an dem Vormittag ‘ier ‘ereingeschneit ist, nachdem ich ihn jahrelang nicht gesehn hatte.«
Wrexalls Glas war leer.
»Noch mal das gleiche für uns beide?« fragte ich in der Hoffnung, daß eine Investition von weiteren fünf Shilling ihm die Zunge noch mehr lösen würde.
»Das ist sehr großzügig von Ihnen, Sir«, dankte er, und als er mit dem nachgefüllten Glas zurückkam, fragte er: »Wo war ich gleich?«
»Ausgerechnet an dem Vormittag …«, half ich nach.
»O ja, Sir Charles – Charlie, wie ich ihn immer genannt ‘ab’. Na ja, er ‘at das Geschäft ‘ier an dieser Theke abgeschlossen, in nicht einmal ganz zehn Minuten. Und ich will verdammt sein, aber eine Minute später ‘at jemand angerufen und gefragt, ob der Pub und die Läden noch zu ‘aben sind. Ich mußte der Dame sagen, daß ich sie gerade erst verkauft ‘ab’.«
Ich vermied es zu fragen, wer »die Dame« gewesen war, außerdem glaubte ich, es ohnehin zu wissen. »Aber dem können Sie doch nicht entnehmen, daß sie zwanzigtausend Pfund dafür bezahlt hätte«, sagte ich statt dessen.
»O doch«, versicherte mir Wrexall. »Mrs. Trentham ‘ätte jeden Betrag bezahlt, um zu ver’indern, daß Sir Charles die Läden bekommt.«
»Großer Gott!« Wieder vermied ich, nach dem Warum zu fragen.
»O ja, die Trampers und die Trenthams sind einander schon eine Ewigkeit spinnefeind, wissen Sie. Ihr ge’ört übrigens immer noch das Wohngebäude mitten in der
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